Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Donnerstag, 6. November 2008
Die Guten gegen die Jocks
Amerikanische Helden, so die europäische Vorstellung, sind schon optisch keine Underdogs: muskelbepackt, familienorientiert, weiß. Definitiv keine Ex-Tellerwäscher. Was man in den High Schools die "Jocks" nennt, die Sport-Asse, die alle Chancen haben und zu denen alle aufblicken. Wo man sich fragt: Wieso eigentlich? Nur weil einer gut Football spielt, macht ihn das doch nicht zu einer moralischen Instanz. Wie passen die ins Bild? Hier ist jetzt die wirklich gute Nachricht: Immer weniger.

Früher hieß es, die Bösewichter seien die interessanteren Charaktere, sie kriegen die besseren Dialoge, die schickeren, weil schwarzen, Hüte und ein breiteres Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten. Das lag daran, dass die Guten halt fürs Gute standen und damit keine Rechtfertigung brauchten, die Bösen mussten uns erst noch überzeugen. Im Prinzip gilt das immer noch, aber in guten Geschichten steht heute weniger der Kampf Schwarz gegen Weiß im Vordergrund als die Auseinandersetzung verschiedener Grauschattierungen. Inzwischen müssen sich auch die Guten differenzieren, und das hat ihnen gut getan.

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Samstag, 25. Oktober 2008
Prekär abwesend
Ich bin nicht da, wo ich sein sollte.

Wo ich sein sollte, vernünftigerweise, ist die Comic Action in Essen. Ist einfach doof gelaufen. Einen eigenen Stand kann ich mir nicht leisten, und weder das Comicwerk noch PANEL, meine naturgegebenen Partner für so was, fahren hin. (Außerdem war der Anmeldeschluss für Stände irgendwann im Mittelalter, das hätte ich eh nicht mehr rechtzeitig geschafft.) Ich hätte mich noch um einen Platz in der Zeichnerallee bemühen können, aber irgendwie bin ich da auch nicht zu gekommen. Stattdessen sitze ich in Bremen, schiebe Nachtschichten und lasse mir das Fahrrad klauen. Bei der Nachtschicht. In der ersten Nacht der Comic Action. Wink, wink?

Und je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr scheint mir der Grund dafür, dass ich in dieser Grauzone bin, in der ich mir nicht leisten kann, hinzufahren, aber auch nicht, nicht hinzufahren.

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Dienstag, 21. Oktober 2008
Oberschichtenfernsehen
- Sie lesen wohl lieber Dürrenmatt!
- Ja.
- Na, dann lesense doch Ihren Dürrenmatt.
(Max Goldt: Dürrenmatt, 1986)
Kommerzielle Verwertung, knapp eine Woche danachMit einiger Verspätung (ich habe keinen Fernseher und musste mich anderer Medien bedienen) habe ich jetzt Marcel Reich-Ranickis Fernsehpreis-Abfuhr und die anschließende Fernsehdiskussion zwischen ihm und dem derzeitigen Preisträger für Reich-Ranickis Lebenswerk, Thomas Gottschalk, gesehen.

Die Berichterstattung über den Konflikt hatte ich mit einiger Genugtuung verfolgt. Ich konnte das gut verstehen, ich finde den Großteil des Fernsehprogramms auch blöd. Dass das Fernsehen Mist bringt, halte ich dabei nicht mal für ein Problem. Dass der Mist dann statt intelligenter Progamme mit Fernsehpreisen gewürdigt wird, allerdings schon. In derselben Veranstaltung wurde die Dieter-Bohlen-Pöbelei DEUTSCHLAND SUCHT DEN SUPERSTAR zur besten Unterhaltungssendung gekürt! Den gleichen Preis, nur in einer anderen Sparte, dann Reich-Ranicki zu geben, ist schon irgendwie beleidigend. Ich würde mich auch nicht gerne in eine Kategorie mit Bohlen stecken lassen. Naja, vielleicht die Gehaltskategorie.

Am Freitag zeigte das ZDF, was bei Gottschalks Schlichtungsbemühen herausgekommen war. Eine Diskussion zwischen zwei Leuten, die sich in ihrer Weise immer schon gerne über Niveauloses beschwert haben, aber völlig andere Strategien haben, ihrem Unbehagen Geltung zu verschaffen. Und unterschiedliche Vorstellungen von Niveau sowieso.

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Montag, 20. Oktober 2008
Hach, die Technik...
Endlich habe ich wieder ein richtiges Handy! Nachdem mein altes heruntergefallen war, konnte ich lange Zeit keine SMS mehr lesen - oder irgendwas auf dem doofen Display. Naja, ich hätte schon gekonnt - heute habe ich endlich rausgekriegt, wie ich den Kram auch vom Computer aus lesen kann. Aber jetzt brauche ich das nicht mehr, denn ich habe ein neues, und zwar mit dieser ungemein praktischen Zusatzfunktion, die eigentlich jeder Comiczeichner, vor allem jeder Comicblogger, braucht:

Einer Kamera.

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Storygewitter
Wie sich herausstellte, war die Deadline für das andere Conny-Abenteuer gar nicht Ende Oktober, sondern vergangenen Mittwoch. Praktisch lief das auf sechs Seiten innerhalb von etwas über einer Woche hinaus. Fünf für die neue Geschichte sowie die aktuelle Seite von TALES FROM THE SANDPIT, die ja auch noch gemacht werden musste. Plus acht Seiten Nachbearbeitung, denn die beiden Seiten, die ich schon gezeichnet hatte, hatte ich wirklich NUR gezeichnet.

(...)

Arbeite ich jetzt immer so? Der Gedanke hat was für sich. Meine psychische Obergrenze waren bisher drei Seiten pro Woche. Aber wie's aussieht, geht auch das doppelte, auf vorzeigbarem Niveau. Natürlich nicht jede Woche - die Anstrengung fühle ich heute noch in den Knochen. (Vielleicht war's auch die Nachtschicht vorher, das weiß ich nicht.) Aber so ein gelegentlicher Ausbruch von Erzählfleiß hat auch was für sich. Wie ein klärendes Gewitter. Die aufkommende Story schwebt jetzt nicht mehr düster über mir, sondern sie liegt fertig vor mir.

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Dienstag, 7. Oktober 2008
Bevor Ihr wieder mit den Augen rollt...
Hier ist eine Kleinigkeit, die ich ursprünglich im letzten Beitrag erwähnen wollte, aber dann rausgenommen habe, weil da schon so viel steht und dieser Aspekt ein eigenes "Kapitel" verdient:
Panel 1
Im Vordergrund redet sich Conny in Begeisterung, im Hintergrund, von ihr unbemerkt, simulieren die Jungs Kotzgesten und rollen mit den Augen.

CONNY
Sie haben uns lange genug gejagt. Wir müssen den Spieß umdrehen. Es wird Zeit, dass die Kinder die Monster jagen!
Vor Skriptanweisungen, die eine so kleine und schwer in einem Bild darstellbare Bewegung beschreiben, kann ich nur warnen. Lernt bloß nicht von mir, so zu schreiben! Dinge, die sich langsam drehen oder ausbreiten oder wachsen oder plötzlich erscheinen oder verschwinden, gehören nicht in Bildbeschreibungen. (Ich habe extra Beispiele genommen, bei denen auch Bewegungsstriche nicht unbedingt helfen.)

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Editing: Und dann kam alles ganz anders...
Als mir mal jemand beim Schreiben über die Schulter guckte (normalerweise hasse ich das, aber in dem Fall war es notwendig, weil ein Gemeinschaftsprojekt) und bewunderte, wie ich diese Dialoge so aus dem Ärmel schüttelte, sagte ich in meinem gemeinschaftsprojektübernächtigten Phlegma etwas, das durchaus wahr ist, auch wenn es vielleicht nicht nett war. Ich sagte:

"Schreiben ist leicht. Kürzen ist schwer."

Nicht nur kürzen. Überhaupt das ganze Editing. Das allerdings zum großen Teil aus Kürzen besteht, vor allem beim Comic. Szenen so aufeinander abzustimmen, dass sie einander ergänzen und ich nicht alles zweimal schreiben muss, oder Dialoge so zusammenzustutzen, dass sie in die Sprechblase passen und trotzdem gut klingen.

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Freitag, 19. September 2008
Grau, grau grau sind alle meine Kleider...
Ich habe mich jetzt doch entschieden, nicht gleich heute mit dem neuen Conny-Abenteuer anzufangen. Es ist einfach noch nicht so weit. Stattdessen habe ich gestern eine nagelneue Einleitung zu Vol. 2 geschrieben und gezeichnet, auch für die neuen Leser, die den ersten Teil nicht kennen. In der Zwischenzeit kann ich noch eine Woche mit den Trommeln wirbeln, in Ruhe meine Project-Wonderful- und Google-Anzeigen vorbereiten, und wenn jemand neugierig wird und nächste Woche auf die Anzeigen klickt, habe ich wahrscheinlich nicht eine, sondern zwei schöne neue Conny-Seiten, vielleicht sogar in schickem Grau. Zwei flache Grautöne, mit denen ich bestimmte Elemente hevorhebe und in den Hintergrund schiebe. Mehr will ich nicht machen, denn das kann sehr schnell aussehen, als hätte ich nur bei der Kolorierung einen Rückzieher gemacht.

Darüber muss ich noch nachdenken, schätzungsweise eine Woche lang.

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Sonntag, 14. September 2008
Ein Rattenschwanz von Perspektiven
Wer sich in Internet-Nischen bewegt und hofft, da gelegentlich ein wenig Geld zu verdienen, kennt natürlich THE LONG TAIL. Der "lange Schwanz" (im Deutschen würden wir vielleicht "Rattenschwanz" sagen, klingt auch weniger peinlich) ist in einer Verkaufszahlentabelle der ganze Kram jenseits der Bestseller. Die Kurve der Verkäufe läuft immer flacher aus, und die meisten Produkte von welcher Art auch immer sind in diesem Schwanz. Hier eine Grafik von Chris Anderson, der den Begriff geprägt hat:

Grafik: Chris Anderson, www.longtail.com Das ist an sich noch nichts Besonderes. Interessant wird es durch zwei Faktoren: Der Rattenschwanz beinhaltet all die Bücher oder Filme oder Comics, die man in einem normalen Geschäft schon aus Platzgründen nicht findet, denn sie verkaufen sich so selten, dass sich der Platz im Regal nicht rechnet. Aber - das ist der erste Aspekt - sie verkaufen sich. Einmal im Monat, alle paar Monate, vielleicht einmal im Jahr. Und weil der Rattenschwanz fast unendlich lang ist, bringen sie alle zusammen mehr ein als alle Harry-Potter-Bücher zusammen.

Und der zweite Aspekt: Sie verkaufen sich nicht im Laden, denn da stehen sie nicht. Sie verkaufen sich im Internet, denn da gibt es Anbieter mit potenziell unendlichem Angebot. Das ist eine gute Nachricht für die Betreiber von Portalen wie Lulu und eBay, die ihren Umsatz mit Produkten machen, die sie gar nicht vorrätig haben und deshalb nicht teuer lagern müssen. Es ist auch eine gute Nachricht für die Produzenten von Nischenprodukten, wenn auch nicht ganz so. Die gute Nachricht ist, dass es die Nischenprodukte überhaupt mal in so was wie einen Laden schaffen. Die schlechte ist, dass sich die Dinger immer noch nicht öfter verkaufen als je einmal im Monat oder alle paar Monate oder wann auch immer...

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Mittwoch, 10. September 2008
Wie man David Bowie covert
Ich weiß nicht, ob es zur Zeit cool ist, das zu sagen, aber ich war immer ein großer David-Bowie-Fan. Naja, bis auf eine Weile in den Achtzigern, aber das war total sein Fehler. Jedenfalls habe ich ihn in der letzten Zeit wieder viel gehört, auch einige Radio-Mitschnitte, die nie auf CD erschienen sind. Dabei ist mir aufgefallen, dass - nicht bei allen, aber doch bei einigen - etwas fehlte. Die Band war wie immer hervorragend, Bowie war frisch und voll bei der Sache, aber trotzdem klangen einige der Mitschnitte eher wie Oldie-Shows als wie eigenständige Hörerlebnisse. Es ist halt schwierig, innovativ zu wirken, wenn die Innovationen dreißig Jahre zurück liegen.

Sogar HEROES. Besonders HEROES.

HEROES (der Song) ist ein Meisterwerk. Ein Beat, für den geringere Musiker töten würden, ein Text voll von verzweifeltem Optimismus und ein Bowie, dem man einfach glaubt, dass er das mit letzter Kraft singt. Es ist zu recht ein Klassiker. Keine Bowie-Coverband kommt ohne den Song aus, und auch keine Bowie-Show. Allerdings lädt gerade HEROES mit seiner einfachen Struktur dazu ein, es durchzuhuschen. Sogar Bowie selber scheitert oft daran. Dann klingt er wie eine Bowie-Coverband, die nie in der Gosse war, aus der dieser Song kommt. Der Song wird abgehakt, aber es entsteht nichts.


Neulich habe ich die frühen Comics von Marvels ULTIMATE-Universum nochmal gelesen, während ich David Bowie hörte. ULTIMATE, für alle, die es nicht kennen, ist Marvels Cover-Version des Marvel-Universum, modernisiert und neu erzählt für alle, denen das alte Marvel-Universum zu unübersichtlich geworden ist. Geschrieben von Hochkarätern wie Brian Bendis und Mark Millar, wird alles reingepackt, was das Marvel-Universum zu bieten hat. Spider-Man muss im Eiltempo durch seine formativen Momente hindurch, und ständig wird die Welt gerettet - vor Magneto, vor den Skrull, alle sind dabei.

Und gerade deshalb liest es sich manchmal wie eine schlecht durchgehuschte Coverversion.

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