Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Mittwoch, 10. September 2008
Wie man David Bowie covert
Schreiben
Going through the motions,
Walking through the part.
Nothing seems to penetrate my heart.
- Buffy

Neulich, beim Hören

Ich weiß nicht, ob es zur Zeit cool ist, das zu sagen, aber ich war immer ein großer David-Bowie-Fan. Naja, bis auf eine Weile in den Achtzigern, aber das war total sein Fehler. Jedenfalls habe ich ihn in der letzten Zeit wieder viel gehört, auch einige Radio-Mitschnitte, die nie auf CD erschienen sind. Dabei ist mir aufgefallen, dass - nicht bei allen, aber doch bei einigen - etwas fehlte. Die Band war wie immer hervorragend, Bowie war frisch und voll bei der Sache, aber trotzdem klangen einige der Mitschnitte eher wie Oldie-Shows als wie eigenständige Hörerlebnisse. Es ist halt schwierig, innovativ zu wirken, wenn die Innovationen dreißig Jahre zurück liegen.

Sogar HEROES. Besonders HEROES.

HEROES (der Song) ist ein Meisterwerk. Ein Beat, für den geringere Musiker töten würden, ein Text voll von verzweifeltem Optimismus und ein Bowie, dem man einfach glaubt, dass er das mit letzter Kraft singt. Es ist zu recht ein Klassiker. Keine Bowie-Coverband kommt ohne den Song aus, und auch keine Bowie-Show. Allerdings lädt gerade HEROES mit seiner einfachen Struktur dazu ein, es durchzuhuschen. Sogar Bowie selber scheitert oft daran. Dann klingt er wie eine Bowie-Coverband, die nie in der Gosse war, aus der dieser Song kommt. Der Song wird abgehakt, aber es entsteht nichts.

Manchmal, beim Lesen

Neulich habe ich die frühen Comics von Marvels ULTIMATE-Universum nochmal gelesen, während ich David Bowie hörte. ULTIMATE, für alle, die es nicht kennen, ist Marvels Cover-Version des Marvel-Universums, modernisiert und neu erzählt für alle, denen das alte Marvel-Universum zu unübersichtlich geworden ist. Geschrieben von Hochkarätern wie Brian Bendis und Mark Millar, wird alles reingepackt, was das Marvel-Universum zu bieten hat. Spider-Man muss im Eiltempo durch seine formativen Momente hindurch, und ständig wird die Welt gerettet - vor Magneto, vor den Skrull, alle sind dabei.

Und gerade deshalb liest es sich manchmal wie eine schlecht durchgehuschte Coverversion.

In den guten Momenten, etwa bei den ULTIMATES, ist die Modernisierung eine explosive Neuinterpretation, die einfach Spaß macht. Überhaupt, der neue Nick Fury mit seinen Verschwörungen und seiner Strippenzieherei bringt eine Menge Spannung in das Universum, auch in die anderen Titel. Aber manchmal, besonders bei den X-Men und manchmal bei Spider-Man, wirkt es so, als wollten die Autoren den Ballast der alten Comics nicht entstauben, sondern schnell abhaken.

Das ist eine Falle. Auch bei neuen Geschichten. Wir kommen alle mal an Stellen, die wir gerade nicht schreiben wollen, durch die wir durchmüssen. Wenn wir eine neue Figur einführen müssen, statt die nächste Action-Szene auszuleben. Oder umgekehrt, eine Kampfszene choreografieren müssen, statt zum nächsten großen Charaktermoment zu springen. Ich habe diese Momente.bei Conny gehabt, und beim Neuen Heft. Und manchmal denke ich, sie sind der Grund, weshalb ich Reception Man irgendwann auf Eis legen musste.

Eine Szene, die ohne Überzeugung geschrieben wird und keine Richtung hat, sticht heraus. Ganz selten habe ich mal etwas geschrieben, von dem ich dachte, das muss da rein, auf das ich aber keine Lust hatte. Jedesmal haben mich Leute angesprochen: "Toller Comic, aber diese eine Szene..." Und auf Dauer zieht das den Rest der Geschichte runter. Kennt Ihr HEROES? (Die Fernsehserie, nicht das Lied.) Die Serie hat mehrere lose verknüpfte Erzählstränge. Allerdings sind die nicht immer gleichermaßen spannend und überzeugend. Und manchmal mag man auch einfach eine Figur nicht, oder eine Schauspielerin, das kann ganz subjektiv sein, aber auch sowas trübt die Wirkung. Auf Dauer konnte ich HEROES einfach nicht mehr gucken. Weil ich - nicht die Autoren - einige Stränge als Teile empfunden habe, durch die ich irgendwie durchmusste, um zum nächsten guten Teil zu kommen. Bei HEROES konnte ich nichts dagegen tun, weil ich die Serie ja nicht schreibe. Bei meinen eigenen Comics kann ich es.

Nächstes Mal, beim Schreiben

Neulich fragte jemand im Panel-&-Pixel-Forum, wie man eine Seite skriptet, in der von Bild zu Bild nicht viel passiert. (Bild 1: Charakter rennt. Bild 2: Charakter rennt immer noch. usw.) Dem Fragesteller fiel auch gleich auf, dass man eine Szene, in der nicht wirklich was passiert, genausogut weglassen könnte. Nur, manchmal geht das nicht. Manchmal braucht man eine Szene schon alleine, um zwei Szenen, die sich zu ähnlich sind, auf Abstand zu halten. Mein Vorschlag war, die Szene zu erweitern. Statt den Charakter beim Rennen zu zeigen, lass ihn wo HIN rennen. Lass ihn stolpern, verschnaufen, ein Versteck suchen und dann doch weiterrennen.

Es gibt kein Rezept, wie man garantiert durch diese Szenen durchkommt. Manchmal kann man sie mit einem weiteren Element aufladen (dann taucht plötzlich Nick Fury auf und zieht Strippen.) Manchmal kannst Du sie weglassen und den Gehalt an anderer Stelle unterbringen. (Shannon Wheeler hat einfach zwei TOO MUCH COFFEE MAN-Hefte ausgelassen, die er als Ballast empfand, und nach Nr. 5 mit Nr. 8 weitergemacht.) Aber wenn Du sie schreibst, ist sie genauso wichtig wie der tolle Charaktermoment davor oder die Actionsequenz danach und erfordert dieselbe Aufmerksamkeit. Die Szene darf nie ein Lückenbüßer oder eine Überleitung sein, sie muss in sich funktionieren und interessant sein.

Ein anderer Tipp ist, die Stelle als eigene Geschichte anzugehen, und ihr eine eigene Struktur mit Anfang, Mitte und Schluss zu geben. So ein Ansatz hilft Dir, den eigentlichen Kern der Szene hervorzuarbeiten. Danach kannst Du sie gerne wieder kürzen.

Und dann geh raus und sing HEROES wie etwas, das wirklich etwas bedeutet. Ist ein toller Song, wenn man es richtig macht.

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