Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Freitag, 19. September 2008
Grau, grau grau sind alle meine Kleider...
Zeichnen
Ich habe mich jetzt doch entschieden, nicht gleich heute mit dem neuen Conny-Abenteuer anzufangen. Es ist einfach noch nicht so weit. Stattdessen habe ich gestern eine nagelneue Einleitung zu Vol. 2 geschrieben und gezeichnet, auch für die neuen Leser, die den ersten Teil nicht kennen. In der Zwischenzeit kann ich noch eine Woche mit den Trommeln wirbeln, in Ruhe meine Project-Wonderful- und Google-Anzeigen vorbereiten, und wenn jemand neugierig wird und nächste Woche auf die Anzeigen klickt, habe ich wahrscheinlich nicht eine, sondern zwei schöne neue Conny-Seiten, vielleicht sogar in schickem Grau.

Zwei flache Grautöne, mit denen ich bestimmte Elemente hevorhebe und in den Hintergrund schiebe. Mehr will ich nicht machen, denn das kann sehr schnell aussehen, als hätte ich nur bei der Kolorierung einen Rückzieher gemacht.

Darüber muss ich noch nachdenken, schätzungsweise eine Woche lang. Vor zwei Jahren habe ich schon mal im Comicforum gefragt, und der Tenor war, dass der Schwarzweißstrich durchaus angenommen wurde, auch in der ansonsten weitgehend bunten LOA. (Ich hatte ein wenig Sorge gehabt, dass Conny da ein wenig untergehen könnte.)

Warum denke ich jetzt wieder drüber nach? Naja, die kurze Antwort ist, dass es kurz vor dem zweiten Band ist, das ist der Moment, um alles zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern. Okay, der Moment war vor zwei Monaten und nicht jetzt, aber jetzt ist immer noch davor. Die noch kürzere Antwort ist, dass ich seit Erscheinen des Albums einige Male darauf angesprochen wurde. Ich neige nicht dazu, vor Kritik einzuknicken, aber ich höre sie mir an und denke drüber nach. Immer. Besonders wenn sie Aspekte anspricht, die ich mich auch schon gefragt habe.

Der ausführlichere Grund sind eigentlich zwei. Erstens habe ich vor, die neuen Conny-Geschichten verstärkt Comic-Anthologien und -Magazinen anzubieten, und da gehören Grauflächen inzwischen zum Standard. Man kommt zwar auch mal ohne durch, wird aber schon etwas kritischer beäugt.

Der andere Grund ist, dass Conny ja irgendwie schon lange kein reiner Horror-Comic mehr ist. Ich weiß, Monster und so, aber meine Comics bleiben ja nie bei ihrem Genre, und Conny ist besonders weit über ihres hinausgewachsen.

Gehen wir die verschiedenen Gedanken mal genauer durch, abwägenderweise.

1. Der Vermittelbarkeits-Grund

Als ich mit den Comics anfing, musste alles schwarzweiß sein. In den frühen PANELs gab es zwar einige Spezis, die ihre Seiten mit Rasterfolien und Tuschekleksereien veredelten, aber die Grundlage beim damaligen Druck war: alles musste in schwarz und weiß beim Drucker ankommen. Ich habe damals nicht gerastert und nicht gekleksert, sondern eher schlecht als recht schraffiert. Inzwischen schattiere ich lieber.

Das war damals. Heute ist die Drucktechnik viel besser, und außerdem haben die jungen Zeichner heute andere Vorbilder als den amerikanischen Underground der Sechziger. Jedenfalls sieht heute alles ganz anders aus.

Der alte BananenschalengagEs war Andreas Keiser, der mich drauf gebracht hat. Als wir über mögliche Beiträge von mir fürs PANEL sprachen, schlug er vor, die Graf-X-Strips mit Grauflächen zu unterlegen, das sähe dann gleich viel professioneller aus. Habe ich gemacht, wurde auch gleich genommen. (Seht Ihr in PANEL 25.) Ich fand das lustig. Da verfeinert man jahrelang seinen Stil, um da mal wieder reinzukommen, dabei hätte es gereicht, ein paar Grauflächen drunterzuklatschen. Genau meine Art von Humor.

Ihr merkt vielleicht am subtilen Unterton meiner Berichterstattung, dass ich kein Fan von Grauflächen bin. Ja, es sieht alles übersichtlicher und kompakter aus, und ich halte viel davon, meinen Lesern in Sachen Zugänglichkeit entgegenzukommen. Aber ich habe nch nie einen Comic gelesen und gedacht: Was für tolle Grauflächen! Das muss ich unbedingt ausprobieren! Nein, bestenfalls übersehe ich, dass es überhaupt welche gibt. Bei einem schönen Tuschestrich dagegen denke ich das oft. Ein richtig schön schattierter Comic ist das beste Mittel, mich an den Zeichentisch zu bringen. Naja, sobald ich den Comic durch habe.

Aber wie gesagt, ich möchte mein Veröffentlichungs-Profil erweitern. Das richtet sich ausdrücklich nicht gegen PLOP, cOMIc, Underdog und LOA, die meine Sachen immer gerne genommen haben, und denen ich meine Sachen immer gerne schicke. (UNDERDOGs Fred Spenner hat in seinen Rezensionen schon deutlich gemacht, dass er meinen harten Horror-Strich dem grauschattierten sogar vorzieht.) Aber wenn ein Magazin meinen Comic ablehnt, nur weil die Farbgebung neben den anderen Einsendungen flacher wirkt, hätte ich das Gefühl, Conny unter Wert zu verkaufen. Ich bin da geteilter Meinung. Ich will Conny jede Chance geben, die ich ihr geben kann, aber ich will ja auch nicht unterwandern, was ich bis jetzt aufgebaut habe.

2. Der Horror-Grund

Wenn ich meine Herangehensweise auf eine kurze Formel bringen will, sage ich gewöhnlich, ich setze bei klassischen Abenteuer-Genres an und verpasse ihnen eine eigene Note. Meistens erwähne ich noch meinen absurden Humor, der durchaus ein Aushängeschild ist. In Connys Fall war das Genre Horror, aber das bedeutet nicht, dass Conny ein Horror-Comic ist. Ich schreibe die Geschichten nicht, um euch Angst einzujagen, was bei einer Horror-Geschichte der Fall wäre. (Es sei denn, Ihr habt Angst vor der Welt der Erwachsenen. Dann ja.) Im Zentrum steht für mich immer Connys seelische Verfassung, und dazu gehört neben den Monstern das Verhältnis zu ihrer Mutter und zur Schule allgemein. In den Geschichten, an denen ich gerade arbeite, sind ihre Gegenspieler der Nachbarschafts-Bully, ein Kinderpsychologe, in gewissem Sinne zwei Spielkameraden und, na gut, ein fieses riesiges Wurmmonster.

Die Frage ist jetzt: Schränke ich mich unnötig ein, indem ich weiter auf der Horror-Grundlage stehenbleibe, oder ist das der Kern des Ganzen, und wenn ich das wegziehe, habe ich einfach nur irgendeinen Comic? Auch hierauf gibt es wahrscheinlich keine "richtige" Antwort.

2b. Der andere Horror-Grund

Unlängst fragte mich ein Leser nach den nichtvorhandenen Grauflächen, und ich gab ihm den Horror-Grund. Daraufhin hakte er nach, wenn man etwa die EC-Comics nehme, das sei ja klassischster Horror, aber in Farbe. Da hatte er natürlich in beiden Punkten recht. Auch wenn der EC-Nachdruck, der mich erst richtig zum Fan dieser Zeichner gemacht hat, eine deutsche Schwarzweißausgabe aus den Siebzigern war. Als Fan alter Zeitungsstrips konnte ich mich an diesen Linienführungen nicht satt sehen. Und, ehrlich, die Farben nehmen eher etwas von der Wirkung als etwas dazuzugeben. Aber klassisch ist das deswegen nicht. Also verwies ich auf alte Vampirella-Hefte und Berni Wrightsons Independent-Comics. Allerdings kommen auch da gelegentlich Rasterfolien vor. Zum Glück fiel mir noch der gute alte Fumetto Nero ein. Bei DYLAN DOG habe ich jedenfalls noch keine Grauflächen gesehen. Aber die Frage bleibt: Wieso assoziiere ich diesen Strich mit Horror?

Dann fiel es mir ein: Was tun wir, wenn wir plötzlicher Angst ausgesetzt sind?

Wir reißen die Augen auf.

Das ist ein Überlebensmechanismus. Je weiter wir die Augen öffnen, desto mehr Licht fällt ins Auge, beziehungsweise desto mehr macht das Auge aus dem vorhandenen Licht. Wir sehen die Gefahr besser und können besser darauf reagieren. Wer schon mal unter Schock stand, wird sich vielleicht erinnern, dass die Wahrnehmung sich dabei verändert hat. Alles scheint in so einer Situation langsamer zu verlaufen, weil wir einfach mehr Details wahrnehmen und verarbeiten.

Mehr Details = mehr Kontraste.
Weniger grau.

Was ich unter klassischem Horror-Strich verstehe, ist einfach eine Parallele zur verstärkten Wahrnehmung unter Schock. Andere Genres haben die gleichen Stilmittel, und Horrorcomics haben sie längst nicht immer, aber die beiden Assoziationen verstärken einander, so dass diese unwichtigen Einwände in meiner Vorstellung von klassischem Horror einfach nicht vorkommen.



Was bedeutet das für Conny? Wieder gibt es keine eindeutige Antwort. Ich spiele mit dem Gedanken, den Kontrast als Effekt einzusetzten, in einem ansonsten ausgeglicheneren Bild. José Villarubia hat einen vergleichbaren Effekt in Ellis' und Williams' DESOLATION JONES benutzt. In den zahlreichen Schießereien hat er sämtliche Farben weggelassen, bis auf rot. Toller Effekt.

Es kann aber auch sein, dass Conny dadurch insgesamt zu künstlich wirkt. Das ist wiederum etwas, das ich erst beurteilen kann, wenn ich mehrere Seiten gesehen habe. Deshalb nehme ich mir noch eine Woche Zeit. Und wegen der Trommelwirbel.

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