Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Montag, 15. Dezember 2008
Cliffhanger: Scheherazade und ich
Nichts gegen Cliffhanger - wer bin ich, dass ich gegen tausendundein Jahr Erzähltradition anstinken könnte? Denn als Urheberin des Cliffhangerprinzips gilt in der Literatur die sagenhafte Scheherazade, die ihren Tod dadurch herauszögerte, dass sie das nächtliche Geschichtenerzählen immer an der spannendsten Stelle beendete und versprach, am nächsten Tag weiterzumachen. Wir modernen Erzähler sind gewissermaßen allesamt Kinder von Scheherazade, denn wir leben davon, dass unser Publikum immer mehr will und uns nicht köpft. Besonders im Webcomic, der meist seitenweise fortgesetzt wird, und bei dem es am Ende der Seite deshalb nicht bloß um ein banales Umblättern geht, sondern ums Zurückkommen beim nächsten Upload.

Aber immer nur Cliffhanger, das ist auf Dauer nicht das Wahre. Man kann zwar die Art des Cliffhangers variieren (ein Gag, ein neuer, rätselhafter Charakter, eine Frage, ein Angriff), aber es ist eben doch Seite für Seite das gleiche Prinzip. Wenn jede Seite im Prinzip gleich strukturiert ist, wirkt der Comic als ganzes schematisch und auf Dauer langweilig.

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Donnerstag, 6. November 2008
Die Guten gegen die Jocks
Amerikanische Helden, so die europäische Vorstellung, sind schon optisch keine Underdogs: muskelbepackt, familienorientiert, weiß. Definitiv keine Ex-Tellerwäscher. Was man in den High Schools die "Jocks" nennt, die Sport-Asse, die alle Chancen haben und zu denen alle aufblicken. Wo man sich fragt: Wieso eigentlich? Nur weil einer gut Football spielt, macht ihn das doch nicht zu einer moralischen Instanz. Wie passen die ins Bild? Hier ist jetzt die wirklich gute Nachricht: Immer weniger.

Früher hieß es, die Bösewichter seien die interessanteren Charaktere, sie kriegen die besseren Dialoge, die schickeren, weil schwarzen, Hüte und ein breiteres Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten. Das lag daran, dass die Guten halt fürs Gute standen und damit keine Rechtfertigung brauchten, die Bösen mussten uns erst noch überzeugen. Im Prinzip gilt das immer noch, aber in guten Geschichten steht heute weniger der Kampf Schwarz gegen Weiß im Vordergrund als die Auseinandersetzung verschiedener Grauschattierungen. Inzwischen müssen sich auch die Guten differenzieren, und das hat ihnen gut getan.

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Dienstag, 7. Oktober 2008
Bevor Ihr wieder mit den Augen rollt...
Hier ist eine Kleinigkeit, die ich ursprünglich im letzten Beitrag erwähnen wollte, aber dann rausgenommen habe, weil da schon so viel steht und dieser Aspekt ein eigenes "Kapitel" verdient:
Panel 1
Im Vordergrund redet sich Conny in Begeisterung, im Hintergrund, von ihr unbemerkt, simulieren die Jungs Kotzgesten und rollen mit den Augen.

CONNY
Sie haben uns lange genug gejagt. Wir müssen den Spieß umdrehen. Es wird Zeit, dass die Kinder die Monster jagen!
Vor Skriptanweisungen, die eine so kleine und schwer in einem Bild darstellbare Bewegung beschreiben, kann ich nur warnen. Lernt bloß nicht von mir, so zu schreiben! Dinge, die sich langsam drehen oder ausbreiten oder wachsen oder plötzlich erscheinen oder verschwinden, gehören nicht in Bildbeschreibungen. (Ich habe extra Beispiele genommen, bei denen auch Bewegungsstriche nicht unbedingt helfen.)

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Editing: Und dann kam alles ganz anders...
Als mir mal jemand beim Schreiben über die Schulter guckte (normalerweise hasse ich das, aber in dem Fall war es notwendig, weil ein Gemeinschaftsprojekt) und bewunderte, wie ich diese Dialoge so aus dem Ärmel schüttelte, sagte ich in meinem gemeinschaftsprojektübernächtigten Phlegma etwas, das durchaus wahr ist, auch wenn es vielleicht nicht nett war. Ich sagte:

"Schreiben ist leicht. Kürzen ist schwer."

Nicht nur kürzen. Überhaupt das ganze Editing. Das allerdings zum großen Teil aus Kürzen besteht, vor allem beim Comic. Szenen so aufeinander abzustimmen, dass sie einander ergänzen und ich nicht alles zweimal schreiben muss, oder Dialoge so zusammenzustutzen, dass sie in die Sprechblase passen und trotzdem gut klingen.

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Mittwoch, 10. September 2008
Wie man David Bowie covert
Ich weiß nicht, ob es zur Zeit cool ist, das zu sagen, aber ich war immer ein großer David-Bowie-Fan. Naja, bis auf eine Weile in den Achtzigern, aber das war total sein Fehler. Jedenfalls habe ich ihn in der letzten Zeit wieder viel gehört, auch einige Radio-Mitschnitte, die nie auf CD erschienen sind. Dabei ist mir aufgefallen, dass - nicht bei allen, aber doch bei einigen - etwas fehlte. Die Band war wie immer hervorragend, Bowie war frisch und voll bei der Sache, aber trotzdem klangen einige der Mitschnitte eher wie Oldie-Shows als wie eigenständige Hörerlebnisse. Es ist halt schwierig, innovativ zu wirken, wenn die Innovationen dreißig Jahre zurück liegen.

Sogar HEROES. Besonders HEROES.

HEROES (der Song) ist ein Meisterwerk. Ein Beat, für den geringere Musiker töten würden, ein Text voll von verzweifeltem Optimismus und ein Bowie, dem man einfach glaubt, dass er das mit letzter Kraft singt. Es ist zu recht ein Klassiker. Keine Bowie-Coverband kommt ohne den Song aus, und auch keine Bowie-Show. Allerdings lädt gerade HEROES mit seiner einfachen Struktur dazu ein, es durchzuhuschen. Sogar Bowie selber scheitert oft daran. Dann klingt er wie eine Bowie-Coverband, die nie in der Gosse war, aus der dieser Song kommt. Der Song wird abgehakt, aber es entsteht nichts.


Neulich habe ich die frühen Comics von Marvels ULTIMATE-Universum nochmal gelesen, während ich David Bowie hörte. ULTIMATE, für alle, die es nicht kennen, ist Marvels Cover-Version des Marvel-Universum, modernisiert und neu erzählt für alle, denen das alte Marvel-Universum zu unübersichtlich geworden ist. Geschrieben von Hochkarätern wie Brian Bendis und Mark Millar, wird alles reingepackt, was das Marvel-Universum zu bieten hat. Spider-Man muss im Eiltempo durch seine formativen Momente hindurch, und ständig wird die Welt gerettet - vor Magneto, vor den Skrull, alle sind dabei.

Und gerade deshalb liest es sich manchmal wie eine schlecht durchgehuschte Coverversion.

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Sonntag, 29. Juni 2008
Bisschen was zu lachen
Im Moment bin ich nicht der Rührigste, was vor allem an den vielen Nachtschichten liegt. Statt wie ein Besessener am englischen Conny-Heft, am zweiten Download oder dem zweiten Conny-Band zu arbeiten (geschweige denn am Neuen Heft), sitze ich viel auf dem Balkon und lese alte Asterix- und Lucky-Luke-Comics. Man sollte ja meinen, wenn man einen Witz erstmal kennt, braucht man ihn nicht nochmal erzählt zu kriegen, aber die Dinger lese ich immer wieder, und jedesmal muss ich über die gleichen Witze lachen.

Das Besondere an Goscinnys Schreibe sind dabei weniger die Gags als die Art, wie sie aufgebaut werden. Goscinny ist ein Meister darin, dieselbe Situation mit verschiedenen Figuren und aus verschiedenen Perspektiven immer wieder neu zu interpretieren. Geschickt über die Dauer des Albums verteilt, ist das jedes Mal ein vollwertiger Gag, der mit dem wiederholten Gebrauch nicht lahm wird, sondern sich steigert. Jedes Mal kann der neue Gag von den vorherigen profitieren. So sind die Spinnereien von Rantanplan in LUCKY LUKE nie einfach nur Dummheit, sondern folgen einer eigenen Logik, in der jede neue Wendung ihre Plausibilität hat. Averell Dalton dagegen - so viel Kritik sei erlaubt - ist einfach nur doof und damit auf Dauer langweilig. Daran zeigt sich, wie charakterbasiert selbst die klamaukigsten Szenen sind. Ein Rollentausch, in dem Averell Rantanplans Grillen kriegt und umgekehrt, würde nicht gehen.

Der Humor in meinen Comics ist völlig anders, er hat eine andere Richtung und baut auf anderen Voraussetzungen auf. Sich selbst steigernde Gagreihen kann ich in meinen Kurzgeschichten schon aus Platzgründen nicht bringen. Sattdessen ziehe ich meinen Witz aus der Absurdität einer Grundituation. Ich lege auch Wert darauf, nicht zu sehr ins Humorige abzudriften. Etwa zweimal in den letzten zehn Jahren habe ich einen Gag gebracht, von dem ich selber nicht überzeugt war, aber dachte, dass er wohl ankommen würde. Habe ich beide Male bereut. (Nein, ich verrate nicht, welche. Das merkt man doch beim Lesen!)

Guter Humor ist eigentlich immer charakterbasiert.

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Donnerstag, 12. Juni 2008
Schreiben? Bei mir macht das der Computer.
... Es gibt aber auch den Punkt, an dem ich das ganze elektronisch erfassen muss, einfach um die Elemente noch mehr herumschieben zu können. Das passiert vor allem, wenn mir eine Geschichte noch zu lang ist - dann muss editiert werden, und damit nicht alles völlig unansehnlich/unlesbar wird, und damit ich das Hin-und Herschieben mit Drag & Drop machen kann statt mit Radiergummi und Abschreiben, mache ich das elektrisch. Noch wichtiger ist der Computer (geworden), wenn es um die Planung eines ganzen Projekts geht. Notizen, Ideen für einzelne Szenen, von denen ich oft noch nicht mal weiß, wo sie am Ende hinsollen, neue Figuren - naja, das fängt auch alles in Notizbüchern an. Aber wenn ich mich erstmal auf ein Projekt einschieße, komme ich am besten voran, indem ich alles darüber in eine Datei speichere, und diese Datei muss komplexer sein als eine Textdatei. (Ein Ordner mit vielen Textdateien tut's aber auch.)

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Mittwoch, 12. März 2008
Der Rest ist Geplätscher.
Heute früh hatten wir ein sehr interessantes Gewitter. Was es interessant macht, ist der Aufbau: Nach einiger Zeit normalen Regens gab es ein paar Minuten heftigen Hagels, abgeschlossen durch einen Blitz mit unmittelbar folgendem Donner. Dann ließ der Niederschlag nach, es folgte ein weiterer Blitz mit etwas späterem Donner, noch etwas Geplätscher, und das war's. Insgesamt höchstens fünf Minuten.

So müssen Geschichten sein: Auf den Punkt, keine überflüssigen oder allzulang ausgewalzten Informationen, keine unnötigen Wiederholungen (die einzige Wiederholung waren die Blitzschläge, aber die hatten unterschiedliche Effekte). Vor allem: Wenn alles wichtige erzählt ist, gibt es keinen Grund mehr, sich noch groß mit der Geschichte aufzuhalten. Alles weitere ist dann nur noch Geplätscher.

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Mittwoch, 7. November 2007
Das Mittelmaß aller Dinge
Erstaunlich, mit welchem Pfusch man manchmal durchkommt. Ich habe gerade die Soundkarte meines Computers ausgetauscht - hätte ich eh längst machen sollen, die alte taugte nichts -, und musste die Metallabdeckung verbiegen, damit sie in den PCI-Schlitz passt, denn die Öffnung auf der Rückseite des Computers ist eindeutig nicht für PCI-Karten gemacht. Gut, dass ich eine billige genommen habe. Ich hätte sie nämlich nicht umtauschen können, wenn sie nicht funktioniert hätte. Ich erlebe das immer wieder. Dinge, Geräte, aber auch Geschichten, die einfach nicht funktionieren, aber irgendwie reicht's. Weil es niemanden juckt.

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Dienstag, 9. Oktober 2007
Erst mal plotten, dann mal schreiben
Normalerweise schreibe ich sehr selten in reiner Skriptform. Früher habe ich die Comics in Form von Layoutskizzen geschrieben, inzwischen gehe ich schon textlastiger ran. Aber das "Full Script", in dem alle Dialoge und Wendungen stehen, ist nicht mein Ding. Dann eher die sogenannte Plot-First-Methode, in leicht abgeschwächter Form. Diese Methode erlaubt mir in jedem Stadium die größtmögliche Freiheit. Ich entwerfe den Plot, den Handlungsverlauf, gerade so detailliert wie nötig, dann zeichne ich. Die Dialoge setze ich als letztes ein. Das Timing ergibt sich beim Layouten (also noch vor dem Zeichnen, aber nach dem Schreiben), aber der Schreib- und der Layoutschritt überlagern sich auch manchmal. Der Vorteil dieser Methode ist (für mich), dass das Erzählen bildhafter bleibt. Wenn die Texte noch nicht realisiert sind, tragen sie auch die Geschichte nicht. Der Nachteil ist, wenn etwas nicht funktioniert, merkt man es erst beim Zeichnen. Oder danach. Das sind dann viel aufwendigere Fehler zum Korrigieren.

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