Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Mittwoch, 4. September 2013
Fördern fordern: Das Comic-Manifest
Vernetzen
Im Netz wird gerade das beim Berliner Literaturfestival vorgestellte Comic-Manifest viel diskutiert. Unter dem Motto "Comic ist Kunst. Das muss jetzt auch die Kulturpolitik verstehen" kritisiert das Manifest, dass die kulturelle Förderpraxis für Comic-Projekte der auch außerhalb der Szene zunehmenden Bedeutung des Mediums nicht gerecht werde, und fordert neben größerer Anerkennung in Politik und Gesellschaft auch konkrete Comic-spezifische Förderungen sowie die Einrichtung eines "deutschen Comicinstitutes, das Künstler zusammenführt, ihre Arbeit wissenschaftlich reflektiert und der kulturellen Bildung dient".

Das vollständige Manifest kann auf der Webseite der Literaturtage eingesehen und mitgezeichnet werden.

Ich bin mir noch nicht so ganz sicher, was ich davon halten soll. Zum einen ist mehr Anerkennung sicher immer gut. Aber ich bin mit der Vorstellung aufgewachsen, dass man Anerkennung nicht fordern kann, sondern sich verdienen muss. Insoweit es um Fördergelder geht, klar, die kann man fordern. (Andererseits listet Blogger-Kollege Millus diverse Fördermöglichkeiten auf, die es halt doch gibt.) Wobei ich bisher eigentlich nie auf die Idee gekommen bin, meine Comic-Arbeit fördern lassen zu wollen.

Zum einen sind Comics einfach zu billig. Aus dem Fundraising für Kulturprojekte weiß ich, dass einige Geldgeber einen komisch angucken, wenn man weniger als ein paar tausend Euro beantragt. Einen Comic zu zeichnen, kostet dagegen fast gar nichts außer Lebenshaltungskosten, und der Druck wird auch immer billiger. Ich könnte natürlich größere Auflagen drucken wollen, aber die müsste ich auch erstmal loswerden. Mit mehr Geld und einer größeren Auflage kommt auch ein viel größerer Aufwand beim Vertrieb und beim Marketing - ein Aufwand, der sich nicht unbedingt beziffern lässt. Ich glaube, mein Problem hiermit ist ein ähnliches wie beim Crowdfunding.

Dann ist da die Sache mit der die Förderungswürdigkeit. Meine begrenzte Erfahrung mit öffentlichen Fördertöpfen hat weniger mit Comics zu tun als mit Veranstaltungen und Initiativen. Da haben wir Geld vor allem für Projekte gekriegt, die entweder einen Schwerpunkt in der Region, auf die sich der Topf bezieht, hatten, oder einem der gesellschaftlich relevanten Ziele entsprach, die auch bei der Anmeldung von gemeinnützigen Vereinen und Stiftungen abgefragt werden (weil z.B. Stiftungen diesen Zielen nach der Anerkennung verpflichtet sind). Ich weiß natürlich, dass in der Filmförderung auch ganz andere Inhalte durchgehen, also ist das wohl nur eine Teilansicht, aber irgendjemand muss entscheiden, dass der zu fördernde Comic kulturell so relevant ist, dass ohne ihn was fehlen würde.

Wenn ihr in die Feuilletons guckt, welche Comics die so für kulturell relevant halten, versteht Ihr sicher meine Vorsicht. Graphic Novels, Biografien, Romanadaptionen, am besten mit zeitgeschichtlichem Hintergrund - und je mehr das ganze einem "richtigen" Buch ähnelt oder einem Kunstband, also je weniger einem der immer noch manchmal etwas schief beäugten "Comics", desto besser. Dann lobt so ein Kulturredakteur auch gerne mal, wie "literarisch" so ein Comic ist. (Ja, ich übertreibe. Ich darf das, ich bin Comiczeichner.)

Die Stärken des Comic liegen dagegen in seiner Unmittelbarkeit, die er sonst nur mit dem Film gemein hat, sowie in der Dichte, die aus der seltsamen Verschränktheit von Bild- und Textmedium entsteht - kaum eine Literaturform ist so komplex und wirkt dabei so einfach. Diese Stärken kommen am besten zum Tragen, wenn sich der Comic von anderen Medien und von bildungsbürgerlichen Vorstellungen, was Kunst sei, löst.

Und das ist eben auch, wo so ein Manifest, wenn es denn "richtig" aufgenommen wird, einen Stellenwert haben kann. Ich wage mal die Behauptung, dass graphisch hochwertige Bildbände und zeitgeschichtlich relevante Biografien schon irgendwie weiterhin ihre Förderer und Verlage finden werden. Aber eine Förderung von Comics, die eben genau die Stärken des Mediums berücksichtigt und nicht nach Kriterien aus anderen Medien aussiebt - das wäre interessant. Dafür braucht es dann aber eine Förderlandschaft, deren entscheidende Köpfe wissen, dass auch z. B. ein Superman-Comic kulturell relevant sein kann. (Oder ein witziger Horrorcomic über ein kleines Mädchen, das Monster jagt. Ich sag' ja nur.)

Und wenn dabei nur eine Diskussion in Gang kommt darüber, was denn die Stärken des Comics sind, damit wäre ja auch was gewonnen.

... Kommentieren

Speichern/Mitteilen
Der m(ech)anische Comiczeichner
xml version of this page Abonnieren
Menu
Startseite
Mission Statement
Kategorien:
Arbeitsorganisation
Herausbringen
Inspiriertwerden
Planen
Schreiben
Verkaufen
Vernetzen
Zeichnen

E-Mail-Abo

Deine Email:

Abonniere den Feed dieses Blogs per Mail!

Delivered by FeedBurner

Web
Aktivitäten:
Jählings Webseite
Jähling's English site
Jählings Tweets
Patreon
Umfeld:
LOA
PANEL online
Comicforum

Inspiration:
Millus: Wie werde ich Comiczeichner?
Frank Plein: Der Comic im Kopf
Daniel Gramsch: Aicomic - Zeichenkurs
Lachwitz, der
I Should Be Writing
Jane Espenson
John Rogers
John August

Suche
 
status
  • Einloggen

  • Blogger.de Startseite
    Creative Commons Lizenzvertrag
    Der m(ech)anische Comiczeichner von Max Vähling ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.

    ©2006-2016 Dreadful Gate Productions. Impressum und Kontakt.