In letzter Zeit setzen sich immer weiter Crowdfunding-Plattformen wie
Kickstarter (und in Europa
Indiegogo) als Finanzierungsinstrument für Indie- und andere Produktionen durch.
So hat vor einigen Monaten
Veronica Mars-Erfinder Rob Thomas mit Unterstützung seiner Hauptdarstellerin Kristen Bell alle Rekorde gebrochen, als die
Kampagne für eine Spielfilmfortsetzung der Kultserie nicht nur mit dem bis dahin höchsten Ziel für eine Filmkampagne startete, sondern dieses auch noch gleich am ersten Tag erreichte. (Spätestens seitdem ist Kickstarter auch in Hollywood in aller Munde.)
Harbinger Down, ein Horrorfilm der Animatronics-Experten aus Filmen wie
Aliens und
Starship Troopers, hat ein wenig länger gebraucht und sein vergleichsweise bescheidenes Ziel von 350.000$ erst am letzten Tag erreicht. Auch für Computerspiele und technische Entwicklungen ist Kickstarter beliebt. Für Musiker gibt es mit
Pledgemusic inzwischen sogar eine eigene Plattform. Ein erfolgreiches (deutsches) Comic-Projekt, das durch Kickstarter-Kampagnen flankiert wurde, ist Daniel Lieskes
Wormworld Saga.
Es ist eine verführerische Idee: Statt sich in Abhängigkeit von Sponsoren zu begeben oder gar ein Risiko aus eigener Tasche zu tragen, stellst du ein neues Projektkonzept in eine der vorhandenen Plattformen ein, wo künftige Nutzer es mit so wenig wie 1$ unterstützen können (aber auch viel mehr). Sie erhalten keinerlei Einfluss aufs Produkt (sind halt keine Sponsoren), sondern kleine Preise und Belohnungen, die du individuell gestalten kannst.
Spätestens seit der
Veronica-Mars-Kampagne ist diese Art der Finanzierung aber auch ein wenig in die Diskussion geraten. Muss man wirklich Crowdfunding betreiben für ein Projekt, das man auch anders finanzieren könnte? Und, wie Drehbuchautor Craig Mazin (Hangover 3)
im Podcast Scriptnotes zu bedenken gibt: Wenn du ein Projekt
nicht anders finanzieren kannst, ist das nicht vielleicht manchmal auch ganz gut so? Wink mit dem Zaunpfahl und so?
Ist natürlich nicht so einfach.
Veronica Mars wäre ohne den Aufwind der Kickstarter-Kampagne tatsächlich nicht zustande gekommen, obwohl Thomas und Bell sicher genug Leute kennen, die das Geld dafür hätten. In Hollywood sind es im Moment nicht die besonders teuren Filme, für die man kein Geld kriegt, sondern die
unter 30 Millionen Dollar. Denn die weltweite Vermarktung kostet im Prinzip das gleiche, ob man einen Hundert-Millionen-3D-Blockbuster mit Erlebniswert und Merchandising-Potenzial hat - oder eben einen kleinen Indie-Film mit eher speziellem Zielpublikum. Der erste spielt nicht nur (potenziell) mehr Geld ein, er lässt sich auch leichter vermarkten.
Andere Projekte profitieren weniger von dem erspendeten Geld als von der Öffentlichkeit, die eine gelungene Kampagne mit sich bringt, und von der inhaltlichen Unabhängigkeit, die man bei herkömmlichem Sponsoring nicht hat. Trotzdem gibt es eine Menge Projekte, wo man sich schon fragen muss, ob die Macher nicht eher aus Faulheit keine anderen Geldkanäle gesucht haben. Mazin verweist zu recht darauf, dass andere das Geld noch viel nötiger haben, und empfiehlt
eine etwas andere Crowdfunding-Plattform namens Kiva, bei der es nicht um schicke Kulturgüter und Innovationen geht, sondern darum, bedürftigen Start-Ups in der ganzen Welt auf die Sprünge zu helfen - Kleinbauern in Afrika, Einzelhändlern in Asien, Theatergruppen sonstwo.
Ist Crowdfunding was für mich?
Natürlich ist Crowdfunding auch in der Comicszene breit besprochen worden, in Deutschland spätestens seit Daniel Lieskes Erfolg mit der
Wormworld Saga. Im besten Fall kann man nicht nur den Druck eines Comics finanzieren (oder, wie bei Daniel, eine App oder was auch immer das genaue Projekt ist), sondern auch gleich einen Teil der Öffentlichkeitsarbeit damit verbinden. Und man hat schon mal einen Haufen Abnehmer.
Ich habe natürlich auch darüber nachgedacht, ein Projekt über Indiegogo zu finanzieren. Allein die Vorstellung, das Geld vorher zu haben und nicht hinterher vielleicht, ist ja reizvoll.
Nur...
Ich wüsste nicht, was.
Wenn ich jetzt einen Comic crowdfunden würde, wäre das ein weiterer Comic, wie ich sie bereits mehrfach gemacht habe, ohne auf das Geld anderer zurückzugreifen. Das ist unbefriedigend. Zumal, die paar hundert Euro, die mich das normalerweise kostet, habe ich bisher noch jedesmal zusammengekriegt. Mit entsprechenden Mengen mehr könnte ich natürlich höhere Auflagen produzieren, aber die müsste ich dann auch loswerden, das lohnt sich also erst ab einem richtig großen Publicity-Schwung. Oder ich müsste sie lagern, vorzugsweise nicht in meinem feuchten Keller, und das kostet auch wieder Geld.
Für mich ist eine neue Finanzierungsweise erst dann interessant, wenn ich damit etwas mache, das für mich neu ist und das ich sonst nicht verwirklichen kann. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb ich in meiner kurzen Zeit als Kickstarter-Spender bisher nur Filmprojekte unterstützt habe - die Comic-Projekte, die da vorgestellt werden, beeindrucken mich einfach nicht genug. Ich denke dann immer, das könnte ich auch ohne. (Blasiert, ich weiß. Und es stimmt wahrscheinlich nicht mal - ich bediene ja nur eine sehr kleine Nische bisher.) Filme dagegen kosten halt Geld. Also, wenn ich nicht gerade
wie jüngst Joscha Sauer eine Trickfilmadaption meiner Comics plane, kann ich meinen Kram auch einfach weiter selber produzieren, oder?
Natürlich könnte ich eine besondere Präsentation finanzieren wollen wie einen Messestand. Das haben auch schon Leute gemacht. Aber solange ich auf die Messen, zu denen ich fahre, ja sowieso fahre, käme mir das irgendwie ... unlauter vor, etwa wie die (allerdings ironisch gemeinte) Kampagne der
Penny Arcade-Macher. Die haben vor kurzem
per Kickstarter ihren Podcast finanziert. Für einen Podcast braucht man nun wirklich nicht viel Geld, deshalb betrug das Ziel gerade mal 10$ und wurde innerhalb von Minuten erreicht, zumal 10$ auch das Mindestgebot war.
Ich schließe nicht aus, dass ich für spätere Projekte mal Crowdfunding benutze. Ich habe einige Projekte in Planung, die durchaus über das hinausgehen, was ich zur Zeit sowieso mache und die ich vielleicht auch etwas breiter präsentieren wollen werde als meine jetzigen Comics. (Sorry für die Vagheit des letzten Satzes, aber mehr kann ich tatsächlich noch nicht verraten.) Ich will das auch sowieso nicht verteufeln. Crowdfunding ist nach wie vor eine gute Idee, allein schon weil es uns Kreativen eine Möglichkeit gibt, über unsere Routinen hinaus zu planen. So was ist immer zu begrüßen.
Ist Crowdfunding was für dich?
Für alle, die sich jetzt fragen, ob Crowdfunding etwas für sie ist, habe ich mal zusammengefasst, was wohl so die Grundlagen sind, um ein Projekt nicht nur auf den Weg, sondern vor allem zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Wie gesagt, Kickstarter ist nicht für jeden. Anhand der folgenden Liste, die ich aus verschiedenen Podcasts und Blogs dazu, vor allem aber, öh, aus dem Gedächtnis zusammengetragen habe, kannst du jetzt für dich selbst entscheiden, ob du das Zeug dafür hast.
Für eine erfolgreiche Kampagne brauchst Du:
- Ein fassbares Endprodukt: einfach nur das Weiterbestehen eines Webcomics zu finanzieren, ist zwar theoretisch möglich, aber irgendwie unbefriedigend. Schließlich ist das Crowdfunding, auch wenn es so genannt wird, keine Spendenkampagne. Die meisten Spender wollen was für ihr Geld.
- Ein ansprechendes Video: das hat sich als Präsentationsform irgendwie durchgesetzt. Wichtig ist aber auch ein Begleittext. Ich jedenfalls will genau wissen und auch nachlesen können, wo das Geld so hingeht.
- Gute Belohnungen: Für Spenden unter 5-10€ kann man kleine, immaterielle Belohnungen aussprechen wie Unendlichen Dank, aber wer mehr von seinen Unterstützern will, sollte auch mehr bieten. Bei Filmprojekten sollte auf jeden Fall irgendeine Form des Films möglich sein, als Download oder (bzw. und, ab einer weiteren Stufe) als DVD. Für die ganz Spendablen sind auch private Vorführungen denkbar oder Namensnennung im Abspann. Je phantasievoller und strahlender die Belohnungen, desto besser.
- Ein bestehendes Publikum: Hier wird's interessant. Nicht jeder kann sich mit einer Kickstarter-Kampagne dumm und dusselig verdienen, denn das erfordert eine breite Basis von Leuten, die nicht nur spenden, sondern auch darüber reden. Damit sich das ausbreiten kann. Man sagt, dass etwa jeder hundertste, der übers Netz eine Aufforderung zu etwas kriegt, der auch folgt. Je nachdem, wie eng die Anbindung ist, auch mehr oder weniger. (Kristen Bell hat über eine Million Twitter-Follower. Die Veronica-Mars-Kampagne hatte 90.000 Backer, die nicht alle von ihr kamen, aber wohl die meisten. Dies nur als Maßstab.)
- Einen Social-Media-Daumen: Die absolute Grundlage für eine erfolgreiche Kampagne ist Kommunikation, am besten die direkte Kommunikation, die du in sozialen Medien wie Facebook und Twitter findest. Die Erfahrung zeigt, dass Leute, die sich mit diesen Medien schwertun, auch beim Crowdfunding nicht den nötigen Schwung entwickeln, damit das zum Selbstläufer (und -Träger) wird.
Warten wir's ab.
Nach dem Erfolg von
Veronica Mars bleibt erstmal abzuwarten, welche Konsequenzen sich daraus für das Crowdfunding ergeben - kommt jetzt erst die richtig gute Zeit, nachdem eine Menge potenzieller Spender davon wissen, oder verteilt sich das begrenzte Geld jetzt umso ungleicher, wenn auch die Großen mitspielen wollen? Tatsächlich hat es schon Nachahmer aus Hollywood gegeben, aber der ganz große Schwung blieb bisher aus, und nicht alle Projekte werden in gleichem Maße aufgenommen wie dieser Film, auf den die Fans irgendwie schon seit Jahren gewartet haben.
Eine andere Konsequenz, die abzuwarten ist: Wirkt sich die Finanzierungsform auf den Charakter der Produkte aus, und wie? Rob Thomas hat in Interviews klargemacht, dass er die Fans, die den Film finanziert haben, nicht enttäuschen will, und baut möglichst viele Gastauftritte von Publikumslieblingen ein. Die Serie aber lebte auch stark davon, dem Publikum immer wieder einiges zuzumuten. Ob das unter diesen Vorzeichen geht? Andererseits wollen Filmautoren
immer den Vorstellungen der Geldgeber entsprechen, und da ist es besser, wenn die Geldgeber die Fans sind als, wie sonst, Produzenten mit ihren eigenen Vorstellungen von Was Am Markt Geht.
Wir werden's sehen. Also, ich. Als "Backer" des Films kriege ich ihn nämlich als Download. Und vorher das Drehbuch.