Erstaunlich, mit welchem Pfusch man manchmal durchkommt. Ich habe gerade die Soundkarte meines Computers ausgetauscht - hätte ich eh längst machen sollen, die alte taugte nichts -, und musste die Metallabdeckung verbiegen, damit sie in den PCI-Schlitz passt, denn die Öffnung auf der Rückseite des Computers ist eindeutig nicht für PCI-Karten gemacht. Gut, dass ich eine billige genommen habe. Ich hätte sie nämlich nicht umtauschen können, wenn sie nicht funktioniert hätte.
Ich erlebe das immer wieder. Dinge, Geräte, aber auch Geschichten, die einfach nicht funktionieren, aber irgendwie reicht's. Weil es niemanden juckt. Wenn die Teekanne tropft, ist sie ja schon gekauft, und wer weiß, ob man eine Teekanne umtauschen kann, nur weil sie tropft? (Danach habe ich gestern auch gesucht.) Wenn bei einem Comic die Übersetzung schlampig ist, oder die Farben nicht stimmen, oder die Dialoge holprig, oder die Story nicht ganz funktioniert - es irritiert, und manchmal stört es auch richtig, aber niemand bringt den Comic zurück, und damit ist die Mission erfüllt. Es erwartet auch niemand von einem Comic, dass er perfekt ist. Nur wenn sich die Fehler häufen, produzieren sie eine Art Begleitrauschen, das dauerhaft vom Comic ablenkt. Und wenn der Comic Teil einer Serie ist, macht sich das dann bei späteren Ausgaben bemerkbar.
Versteht mich nicht falsch - Fehler können passieren. Mir passieren sie ständig. Aber es macht einen Unterschied, ob Fehler beim Versuch passieren, eine bestmögliche Arbeit abzuliefern, oder ob sie passieren, weil es einfach niemanden juckt. Ich bin fest überzeugt, dass das einer der Hauptgründe ist, weshalb das deutsche Fernsehen so mies ist - niemand interessiert sich genug dafür, um es besser zu machen. Die Programmchefs sehen, dass die bisherige Qualität reicht, denn die Leute gucken es ja, und die Werbekunden sind auch an Bord. Und das Publikum verlangt nicht nach mehr, weil es zum großen Teil bereits vor Generationen die Hoffnung aufgegeben hat, dass das Fernsehen für mehr taugt als zum Abschalten, möglichst ohne große Anstrengung. Qualität wird, wenn, woanders gesucht. Aber das ist die Minderheit. Die meisten werden sich einfach mit dem Mittelmaß arrangieren. Und wer noch nicht abgeklärt genug ist, um nicht mehr zu erwarten, wird halt enttäuscht ud bleibt auf der Strecke. Weil es schon vorher niemanden gejuckt hat.
Comic-Autor Ed Brubaker hat den Fehler dieser Einstellung in einem Interview auf den Punkt gebracht, das in der letzten Ausgabe seines Comics CRIMINAL (Nr. 9, Marvel Icon) abgedruckt war:
"Some friends of mine from alternative comics had gotten work at DC or Marvel bottomed out pretty quickly because you could tell it was't their real work as far as they were concerned. My feeling is always that
anybody who's buying it needs it to be your real work." (Hervorhebung von mir.)
Das erinnert mich daran, wie ich anfangs
Reception Man noch als Vehikel begriffen habe, um irgendwann später da hin zu kommen, wo ich die richtig guten Geschichten erzählen kann. Das war natürlich Quatsch, und zum Glück habe ich das schnell genug eingesehen. Wer seine Sachen nicht mit dem nötigen Ernst produziert, kriegt vielleicht einen Namen in der Szene, aber einen Namen als jemand, der nur halbgares Zeug abliefert.
Ich grinse manchmal, wenn ich an vergangene Fehler in meinen Comics denke. Nicht mal die Flüchtigkeitsfehler, etwa dass der Polizist Schäfer in
terrain vague bei seinem ersten Auftreten noch Wächter heißt, oder dass ein Scheitel mal auf der falschen Seite ist. Aber was zum Beispiel nie richtig funktioniert hat, ist Broders Wohnung in
Reception Man, bei der ich viel zu spät angefangen habe, mir zu überlegen, was wo hingehört und wie sie im Verhältnis zu den anderen Wohnungen liegt. Dann habe ich Grundrisse und Skizzen gezeichnet, um es zurechtzubiegen. Aber es hilft nicht. Wenn alles, was bisher in Broders Wohnung passiert ist, funktionieren soll, braucht er mindestens eine Außenwand, die an eine andere Wohnung grenzt. Oder ich entscheide mich ein für allemal, wie sie auszusehen hat, und mache einen Strich unter die alten Geschichten. Aber wenn ich will, dass irgendjemand mein Zeug ernstnimmt, muss ich es auch ernst nehmen und zumindest über solche Dinge nachdenken.
Bei Conny habe ich früher angefangen, drauf zu achten. Das Haus ist einigermaßen gestaltet, zumindest die Räume, die ich bisher brauchte, und wie sie zueinander liegen. Naja, für jetzt. Die ziehen da nämlich bald aus.
Das Auto von Connys Mutter dagegen - naja, ein Auto wechselt man ja gerne mal. Zu den Überarbeitungen für das Heft gehörte deshalb auch, solche Sachen auszugleichen. Ein kleineres Auto für die Mutter einfügen, Mina und Conny ungefähr gleich groß machen, was nicht immer der Fall war - halt die Welt von Conny, die sich von Kurzgeschichte zu Kurzgeschichte in Nuancen geändert und erweitert hat, und die am Anfang nur in Andeutungen exisiterte, rückwirkend ausgestalten.
Denn es juckt mich sehr wohl. Und ich habe ja gesehen, wie das mit Pfusch ist - es geht eine Weile gut, und dann funktioniert plötzlich ein Teil nicht, und wenn Du es austauschen willst, stellst Du plötzlich fest, dass es nicht passt, weil der ursprüngliche Konstrukteur sich keine Gedanken darüber gemacht hat, wie das Teil da überhaupt hinpassen soll. Und über kurz oder lang geht dann gar nichts mehr.
Wollte ich nur kurz loswerden. Und bei der Gelegenheit - weiß jemand, wo ich eine gute, billige, nicht tropfende Glasteekanne finden kann?
P.S.: Nach all der Arbeit in der letzten Zeit hänge ich völlig hinterher mit meiner eigenen Blog-Lektüre, sonst hätte ich
dieses wunderbare Zitat der ebenso wunderbaren Jane Espenson mit eingearbeitet, statt es nachträglich anzuhängen:
"Over and over again, I discover that people who are merciless viewers, snorting at the screen about plot points that they find dubious, can be shockingly cavalier about similar holes in their own plots. Perhaps they've decided that sloppiness from others excuses their own. Nope. If it would make you snort when someone else does it, it should make you snort at your own pages."
Genau. NICHTS entschuldigt Pfusch.