Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Dienstag, 14. Juni 2016
Wie verboten ist Fan Art?
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Für uns in Deutschland ist es mitten in der Messe-Saison (ich habe diesen Sommer noch eine vor mir, nächste Woche in Stuttgart), in den USA geht sie, glaube ich, gerade erst los. Egal: Seit letztem Wochenende geistert ein Artikel durch die sozialen Medien, der sich aus urheberrechtlicher Perspektive mit der Fan Art befasst, also Bildern von geschützten Figuren, wie sie auf Messen gerne in den Zeichneralleen verkauft werden, auch mal im großen Umfang und gedruckt.

Autor Seth Polansky ist Anwalt* und nach eigenem Bekunden kein regelmäßiger Besucher von Messen. Entsprechend beurteilt er seine Beobachtungen auf der Artist Alley aus rein rechtlicher Perspektive, und entsprechend einfach stellt sich die Situation für ihn dar: Das ist alles illegal. Und es gibt kein Unrechtsbewusstsein. (Die Rechtfertigungen, die man in dem Zusammenhang oft hört, sind tatsächlich, wie von Polansky beschrieben, alle falsch.) Noch schlimmer: Die Eigentümer der entsprechenden Inhalte tun nichts dagegen!

Besonders der letzte Punkt hätte ihm ein Hinweis sein können, dass hier noch andere Faktoren eine Rolle spielen und vielleicht ein bisschen mehr Einblick in die Fan- und Con-Kultur angebracht wäre, aber er liest gerade diesen Punkt als Verschärfung des Problems.

Was soll überhaupt Fan Art?

Fan Art - als Messeskizze oder als Druck - ist ein fester Bestandteil der Messekultur. Gerade auf Comic Cons, wo Merchandise besser zu gehen scheint als Comics, sind Bilder bekannter Figuren beliebt und funktionieren gut, um Aufmerksamkeit bei vorbeigehenden Besuchern zu schaffen. Es gibt auch Sammler, die gezielt nach Zeichnungen bestimmter Superhelden fragen - natürlich im Stil des jeweiligen Gefragten, denn das ist ja der Witz.

Die Verlage wissen das und tolerieren es (meistens). Es gibt zwar einige Fälle, in denen jemand verwarnt wurde und auch ein paar unrühmliche, wo die offiziellen Zeichner bekannter Serien keine Drucke "ihrer" Figuren verkaufen durften, weil sie die Rechte nicht hatten. Aber im Großen und Ganzen läuft das Verhältnis zwischen Verlagen und Zeichneralleen recht friedlich ab, und wenn mal jemand Ärger kriegt, bleibt das meistens auf der Ebene des Cease-and-Desist-Briefes, einer Unterlassungsaufforderung. Klagen lohnt sich auch oft nicht, da es ja meistens um Kleckerbeträge geht. (Trotzdem sollte man, wenn man schon aufgefordert wird, den Verkauf bestimmter Bilder einzustellen, dem Folge leisten. Schon um's nicht für alle anderen zu verderben.)

Aber ist das überhaupt alles so verboten, wie es in dem Artikel dargestellt wird?

Mit dem Thema haben sich schon vor einiger Zeit io9 und Plagiarism Today (erstaunlich ausgewogen, bei dem Blognamen) auseinandergesetzt. Beide kommen zu dem Schluss, dass es sich zwar um geschützte Vorlagen handelt und man nicht alles damit machen kann, aber man kann das eben nicht so über einen Kamm scheren wie Polansky.

Denn das Urheberrecht, gerade in den USA, gewährt viele Nischen, in denen Neues auf Basis des Alten gedeihen kann. Parodien, freie Bearbeitungen, bei denen was Eigenständiges Neues entsteht, Zitate (mit den dazugehörigen Einschränkungen) und vor Allem "Fair Use", also grob gesagt die Verwendung in nichtkommerzieller Absicht. (Letzteres haben wir in Deutschland immer noch nicht. Sollten wir wirklich mal einführen, auch wenn wir die meiste Zeit ganz gut mit freien Bearbeitungen und Fallhöhen und so was auskommen. Parodien ja sowieso.)

Ermessenssache

Was als freie Bearbeitung gilt, muss allerdings immer im Einzelfall entschieden werden. Einfach nur ein fotorealistisches Portrait von Indiana Jones, direkt nach dem Filmplakat, dürfte nicht ausreichen, selbst wenn es in einem erkennbar eigenständigen Stil gezeichnet ist, der als Unterscheidungsmerkmal zwar Gewicht hat, aber nur ein bisschen. Ein Cartoon, in dem Indy mit seiner Peitsche den Predator verfolgt, hätte dagegen Chancen. Ein Maßstab ist, ob das neue Werk ein Konkurrenzprodukt zum zugrundeliegenden Produkt ist. Wenn es also einen Indy-vs-Predator-Comic gibt, sieht's schlecht aus. Wenn nicht, dann stehen die Chancen schon deshalb etwas besser, weil die Kombination neu gedacht ist (Eigenbeitrag des Adaptierenden). Dann hängt's immer noch vom Ermessen des Gerichts ab, und es müsste im Einzelfall geguckt werden, wie hoch genau der Eigenbeitrag ist, ob die Wirkung des Bildes dieselbe wäre, wenn es eigene Figuren wären, ob andererseits vielleicht doch nur mit der Beliebtheit der Figuren schnelle Kohle gemacht werden sollte usw. - nicht gerade eine sichere Bank für die Adaptierenden, aber auch nicht so schwarzweiß wie oft dargestellt.

Fanart, die direkt auf der Messe als Auftragsarbeit gezeichnet wird, dürfte dagegen allgemein einigermaßen sicher sein. Wer von mir einen Flash will, tut das nicht, weil drüben bei Francis Manapul die Schlange so lang ist, sondern um meine eigene und unverwechselbare Version des Charakters zu sehen. Oder überhaupt eine Zeichnung von mir. Was das ist, ist oft nebensächlich. Es geht bei der Zeichnerallee ja darum, die jeweiligen Zeichner zu unterstützen, nicht darum, seinen Flash billiger zu kriegen.

Natürlich ist es sicherer, einfach gar keine Fan Art zu verkaufen, sondern nur eigene Figuren. Kollege Millus empfiehlt das sehr nachdrücklich. Zumal bei allen Schranken des Urheberrechts es auch immer wieder Leute gibt, die ihre Lizenzen ohne Ansehen der Person einfordern und dabei auch nicht mit sich reden lassen. Jeder muss selbst entscheiden, ob es das Risiko wert ist. Neben den Gesetzen empfiehlt es sich dabei, auch auf die Regeln der jeweiligen Messen zu achten. So hat die Comic Con in Hannover ausdrücklich verboten, unlizensiert geschütztes Material zu verkaufen. Hat niemand geprüft, aber damit hätten sie im Beschwerdefall eine Handhabe gehabt, um Leute nach Hausrecht rauszuschmeißen, statt einen Gerichtsbeschluss abwarten zu müssen.

Ich bin ja immer dafür, die Kirche im Dorf zu lassen. Und gerade, wenn es ums Urheberrecht geht, irre ich lieber auf der Seite von zu viel (Zu-)Lässigkeit als auf der von zu viel Verboten. Denn wenn wir die eingeschränkten Möglichkeiten, die das Gesetz uns lässt, allzu bereitwillig preisgeben, dann werden sie immer schwerer zu verteidigen. Deshalb finde ich es auch gefährlich, eine Einschätzung wie Polanskys unkommentiert stehen zu lassen. Sicher, vom rein gesetzlichen Standpunkt hat er nicht unrecht. Aber das zeigt gerade, wie wichtig ein Augenmaß für die Eigenheiten der Con-Kultur ist.

Wenn sich Polanskys Sichtweise durchsetzt, kann es schnell eng werden für die Zeichneralleen. Zuerst für die Leute mit den Drucken von Comic- und Filmfiguren. Aber dann, wenn die nicht mehr als Vergleich da sind, auch für alle anderen. Und am Ende muss ich vor Gericht den Witz von "Alien vs. Ducks" erklären. Das würde ich denen und mir gerne ersparen.


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*) Im Gegensatz zu mir, falls jemand diese Klarstellung braucht. Ich bin keiner und habe mit keinem gesprochen. Lasse mich aber gerne als Experten bestellen.

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