Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Montag, 21. März 2016
Selbstpromotion für Introvertierte
Vernetzen
Eigentlich wollte ich heute etwas zum zehjährigen Jubiläum von Twitter schreiben, weil ich Twitter mag und auch wichtig finde für das, was ich als Online-Zeichner so tue. Dann fiel mir auf, dass ich das Wesentliche bereits vor Monaten in einem anderen, hier bisher unveröffentlichtem Post geschrieben habe. Und eigentlich ist der viel interessanter. Also dann...
In einem Schreibforum kam mal die Frage nach Buchpromotion für introvertierte Autoren auf, und das ist tatsächlich eine wirklich gute Frage. Immerhin setzt alles, was wir über Werbung und Eigenwerbung zu wissen glauben, ein gewisses Maß an Extrovertiertheit voraus. Die üblichen Strategien eines Selbstvermarkters bauen auf den Stärken des extrovertierten Charakters auf - Kommunikation, Aufsichselbstzeigen, ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein und keine Angst davor, im Mittelpunkt zu stehen.

Viele von uns sind aber Autoren, weil sie genau das Gegenteil von all dem lieben. Ich auf jeden Fall. Wie sehr ich es hasse, im Mittelpunkt zu stehen, habe ich ja schon im Nachwort von Maxfiles erörtert, dem Comic, wo ich im Mittelpunkt stehe. Am liebsten würde ich einfach meine Comics für mich sprechen lassen, und zum guten Teil tue ich das auch - das ist ja gerade das Gute an Webcomics. Aber auf Dauer reicht das nicht, denn man will ja auch neue Leser dazugewinnen, Leute, die noch nie von diesen tollen Comics gehört haben. Ich muss also immer wieder über meinen Schatten springen und etwas tun, das mir eigentlich gegen die Natur geht, um die Comics zu verbreiten.

Der Trick ist, sich auch dabei auf die Strategien zu konzentrieren, die eben doch der eigenen Natur entsprechen.

Soziale Medien

Nehmen wir Twitter. Im Vergleich mit Facebook erscheint mir Twitter viel weniger selbstdarstellerisch und mehr von der Konversation getragen als von den Konversierenden. Deshalb bin ich fast von Anfang an ziemlich begeistert dabei gewesen, während ich mit Facebook erst so nach und nach warm wurde. Was ich besonders liebe: Wenn man nichts zu sagen hat, kann man einfach ganz unauffällig im Hintergrund verschwinden! (Und wenn Du das nicht als was Gutes siehst, dann ist dieser Artikel eh nicht für dich.)

Das Beste an Twitter ist aber: Es ist Schreiben. Und Schreiben liegt mir. Wenn ich Haustier- oder Lebensmittelfotograf wäre, wäre ich sicher mehr ein Facebook-Typ. Ich bin aber Autor. Und ich twittere, wie ich schreibe - kleine Texte, wie ich sie selber gerne lesen würde. Die größtenteils für sich selbst stehen können. Über Themen, die mich interessieren und von denen ich denke, dass sie meine Leser auch interessieren.

Twitter wird auch von vielen Leuten zur Selbstpromotion benutzt. Aber das sortiert sich leicht zurecht - wer nur Links zur eigenen Webseite postet, muss da schon sehr, sehr ansprechende Inhalte zu bieten haben, sonst entlarvt er sich sofort selbst als Spammer und wird entfolgt. (Es sei denn, man folgt ihm genau deswegen. Mir haben die sozialen Medien jedenfalls schon längst den RSS-Reader ersetzt, zumindest bei Webcomics.) Twitter ist ein sehr betriebsames Medium, und seine Nutzer sind darauf bedacht, ihre Timeline frei zu halten von Leuten, die nichts zu sagen haben. Und darauf, dass die Konversation im Client bleibt. Der Vorteil ist, dass man, wenn man was zu sagen hat, willkommen ist und dann auch hin und wieder den einen oder anderen Link pushen kann. Der Nachteil ist, dass die Durchklickrate nicht die dollste ist. (Dafür kriegen mehr Follower den Tweet zu sehen als bei Facebook mit dessen Algorithmus.) (Zu diesem Ding mit den Algorithmen habe ich auch noch einen unveröffentlichten Beitrag. Vielleicht später.)
Facebook benutze ich größtenteils so, wie ich auch Twitter benutze, nur mit mehr Bildern. Muss man sich dran gewöhnen, wenn man mir da folgt. Ich habe gehört, die meisten Leute benutzen das anders. Facebook versucht auch von sich aus, die Timelines seiner Nutzer frei zu halten von Selbstmarketing.

Die Änderungen im Facebook-Algorithmus in den letzten Jahren sind eigentlich eine schlechte Nachricht für die Selbstpromotion. Von sich aus zeigt Facebook einen neuen Post nur noch einem Bruchteil der Abonnenten einer Seite, auch wenn das dem ganzen Sinn des Abonnierens zuwider läuft. Erst wenn dieser Bruchteil auf die Links klickt oder die Beiträge kommentiert, kriegen das mehr zu sehen.

Trotzdem ist Facebook durchaus ein lohnendes Netzwerk, um auf neue Inhalte aufmerksam zu machen, vor allem, wenn man sie so präsentiert, dass Leute sie auch anklicken wollen. (Da kommen die Bilder ins Spiel. Und die Clickbait-Überschriften. Und genau da, bei den Clickbait-Überschriften, hört auch meine Komfortzone auf. Schade eigentlich.) Irgendwie absurd: Man muss mehr zum Marktschreier werden, um von Facebook weniger als Marktschreier aussortiert zu werden.

Oder man konzentriert sich wie bei Twitter darauf, Teil der Konversation zu werden. Die ist allerdings so fragmentiert - Kommentare hier, Gruppenkonversationen da -, dass der Rücklauf zu den eigenen Inhalten nicht so automatisch ist.

Die Frage, welche sozialen Medien man als Autor bespielen soll, kommt oft auf. Ich empfehle immer das, was einem persönlich liegt, denn es kommt weniger drauf an, viele Nutzer zu erreichen, als durch Kontinuität Teil der Konversation zu sein. Deshalb sind soziale Medien etwas völlig anderes als Werbung und funktionieren - mit Abstrichen - besser für introvertierte Autoren. Gerade als Alternative zum Marktschreiertum. Auch wenn sich da eine Menge Leute tummeln, deren Vorstellung von PR noch auf die Achtziger zurückgeht.

Quelle: cine3.com und natürlich Universal

Noch sozialere Medien

Etwas anderes, das ich gut kann, - das klingt jetzt nicht sehr introvertiert - ist öffentlich reden. Ich kann Vorträge vor großem Publikum halten (sogar besser als vor kleinem), in Podiumsrunden sitzen und da sogar unterhaltsam und informativ sein. Ich weiß natürlich alles über Lampenfieber, aber das lässt sich besiegen - mit Vorbereitung. Ich kann auch am Messestand ein gutes Verkaufsgespräch führen. Je mehr das eine Konversation ist und kein Anpreisen, desto besser geht das.

Der Trick ist: Ich rede ja nicht über mich. Ich lenke die mir geschenkte Aufmerksamkeit auf etwas, von mir weg. Mein Thema, meine Comics. Egal was, Hauptsache ich bin sie los. Dann bin ich wieder Autor und schreibe (oder fabuliere) über etwas, das ich intererssant finde.

Ihr erkennt das Muster? Ich suche nach dem Element, das mir entspricht, und nutze die jeweilige Plattform dann eben so.

Für andere Sachen habe ich leider noch kein Äquivalent gefunden. Zum Beispiel, mich vorzudrängen, damit ich überhaupt auf solche Panels eingeladen werde. Da habe ich keine Strategie für, und ich weiß auch nicht, ob ich so jemand werden will, dessen Naturell darin aufgeht, dass er sich nach vorne drängt.

Was geht noch? Blogger Sean Kleefeld hat vor einiger Zeit darüber geschrieben, dass ihm Selbst-Promotion schwer fällt, und einen ganzen Post verfasst, um das hinter sich zu bringen. Ich kann mir gut vorstellen, dass das funktionieren kann, wenn man erstmal den Anschub gekriegt hat. Einfach ein (abgeschlossenes) Projekt draus machen. Die Gefahr ist natürlich, dass man immer noch eine Sache mehr fertig kriegen will, bevor man damit raus kommt. Geht mir schon mit meinen Rundmails so.

Habt Ihr noch weitere Ideen? Der Thread in dem Schreibforum ging dann leider nicht mehr weiter...

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