Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Montag, 14. Januar 2013
Ideen und Story-Ideen - was macht den Unterschied aus?
Schreiben
Neuerdings höre ich beim Arbeiten gerne den Chris Downey Podcast. Downey war Ko-Produzent und Autor einer meiner Lieblingsserien, des gerade abgesetzten Leverage, besser bekannt ist in Deutschland vielleicht die von ihm mit geschriebene Serie King of Queens. In seinem Podcast stellt er Konzepte für Filme vor, die er wahrscheinlich nie verwirklichen wird, aber trotzdem einfach mal einer Öffentlichkeit präsentieren will, und entwickelt die Outlines zusammen mit Autorenkollegen wie John Rogers (Leverage), Christine Boylan (Leverage, Once Upon a Time) und Wil Wheaton (Just a Geek). Die Mitschnitte geben einen guten Eindruck davon, wie solche Sessions tatsächlich vor sich gehen. Und am Ende kommt meist etwas heraus, das ich am liebsten sofort verfilmt sehen will.

Erstaunt hat mich anfangs, wie ausgefeilt diese groben, hingeworfenen Story-Ideen sind. Meine groben hingeworfenen Story-Ideen sind meistens ein paar sehr vage Sätze in unleserlichem verblassten Bleistift. Downey präsentiert den Kollegen meist eine recht umfassende grobe Outline mit Charakternamen (was ich normalerweise bis zum letzten Moment vermeide), ein wenig Backstory (gerade genug, dass wir wissen, warum diese Story genau dieser Person passiert) und einen zentralen Konflikt, meist noch mit ein wenig Subtext, wie sich der Konflikt auf den Protagonisten auswirkt. Die anderen entwickeln es dann von da und entlang dieser Outline, vertiefen die Konflikte und vor allem die Charakterisierungen der Nebenfiguren, und am Ende steht eine solide Aktstruktur.

Wenn ich ein bisschen drüber nachdenke, braucht es diese Grundelemente aber auch, um überhaupt was zum Drüber Reden zu haben. Ich kann mich nicht in einen Raum mit vielbeschäftigten Autoren setzen und sagen: "Ich will einen Gangsterfilm machen, nur unter Wasser." Wo sollen die denn anfangen aufzubauen?

Bevor wir auch nur sagen können, ob eine neue Idee überhaupt eine Storyidee ist, brauchen wir mindestens:
  • Die Hauptfigur, charakterisiert bis zu dem Punkt, an dem wir sehen können, warum dieser Konflikt mit dieser Figur interessant sein könnte.
  • Den zentralen Konflikt und was er für die Hauptfigur bedeutet.
  • Am besten noch den einen Moment, der die beiden zusammenbringt.
Downey, mit seinem Comedy-Background, scheint gerne mit Gegensätzen zu arbeiten, um die Spannung zwischen Protagonist und Konflikt interessant zu machen: Die Welt wird von Außerirdischen bedroht, und die einzige, die uns alle retten kann, ist ... "Miss Universe"! Zwei abgehalfterte Comedy-Schreiber produzieren ein Remake ihrer Show im einzigen Land, in dem sie zuletzt noch erfolgreich war: einer korrupten Diktatur! ("Road to Kafiriztan") Allein aus dem Konflikt ergibt sich dann schon einiges über die Hauptfigur.

Die einzige Story, aus der nicht auf Anhieb etwas wurde, ist "Car Rental Agreement 87/25", und das ist die Geschichte, zu der er eben keinen zentralen Konflikt präsentieren kann, nur eine Art tagline.

Zur Zeit arbeite ich an ein paar neuen Storykonzepten, allerdings bin ich bei den Charakterisierungen noch nicht über ein paar grobe Rollen, quasi Platzhalter für wo am Ende die Charaktere hin sollen, hinaus. Daran krankt der bisherige Plot: Bisher geht es noch nicht wirklich um was, denn ich weiß ja noch gar nicht, was den Charakteren lieb und wichtig ist. Wofür sie kämpfen würden.

Nicht jede gute Idee ist eine Story-Idee. Mit der Zeit kriegt man ein Gefühl dafür. Aber auch so bleiben noch viele Ideen, die ursprünglich Stories werden sollten, sich aber stattdessen in Nebenhandlungen oder irgendwo im Hintergrund anderer Geschichten wiederfinden. Der erste Teil der Schreibarbeit besteht darin, erstmal den Bodensatz einer Idee eine Weile hin-und herzuschwenken und zu sehen, ob da irgendwo ein möglicher Charakter drinsteckt, zu dem die Idee passt, und ob sich die Idee in einen Plot übersetzen lässt. Manchmal fehlt noch eine Zutat, bevor die Idee aufgeht, manchmal muss man sogar was wegnehmen, viele Ideen werden beiseite gelegt und manchmal erst Jahre später hervorgekramt. Manchmal nie. Ein großer Teil der Arbeit des Autoren besteht darin, auch mal was nicht zu schreiben.

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