Mein geschätzter Kollege Daniel Gramsch hat gerade ein neues
Alina-Fox-Heft herausgebracht, das ich hiermit wärmstens empfehlen möchte. Nicht nur, weil es ein sehr schönes Abenteuer ist und ich ihm sowieso den Erfolg gönne, sondern auch, weil ich ein persönliches Interesse daran habe, dass man mit Heften Erfolg haben kann.
Die Zeichen dafür sehen nicht gut aus. Ich habe schon seit längerem den Eindruck, dass Hefte nicht mehr gehen. Im letzten
Zettgeist-Podcast (Nr. 104, für alle, die später dazugekommen sind) über Perspektiven, mit Comics Geld zu verdienen, wird das Problem sogar sehr kategorisch abgehandelt. Was sich heute verkauft, sind Graphic Novels. Oder wenigstens Alben.
Auf meinem ersten
Comic-Salon 2002 waren Hefte noch das große Ding. Hefte waren cool, Hefte waren independent. Da kamen mehrere Meme zusammen: Gedruckte Hefte waren zugleich billig und professionell, und das war genau der Eindruck, den Independent-Comics wecken wollten. Kopierte Hefte wirkten nicht mehr ganz so professionell, aber immer noch cool. (Umso cooler?)
Zum Teil war das wohl noch ein Überbleibsel von der Heftchenwelle der Neunziger, als auch die großen Verlage mit dem Format punkteten, weil es billiger war. Und schneller. Hefte erscheinen, zumindest m Massenmarkt, monatlich, Alben eher jährlich. Die Leserbindung durch Regelmäßigkeit war gewissermaßen inklusive.
Was ist seitdem passiert, das diesen Trend so umgedreht hat? Mir fallen drei Entwicklungen ein, die alle damals schon begonnen hatten:
-
Der Graphic-Novel-Hype. Gerade die Independent-Verlage setzen, damals wie heute, eher auf Erzählerisch Orientierte Comics als auf Bunte Spaßexplosionen. Auch gegenüber der anderen damals dominanten Indie-Sparte, den künstlerischen Comics, haben die Graphic Novels an Land gewonnen. Und was sagt besser "literarischer Anspruch" als das Buchformat?
-
Mangas. Wer nicht auf Graphic Novels setzt, um mit Comics Geld zu machen, setzt auf Mangas. Anderes Publikum, ähnlicher Effekt: Die Leser gewöhnen sich an dickere Einheiten. Mangas kommen, die kleinen Chibis ausgenommen, als Taschenbücher von mindestens 150 Seiten. Müssen sie auch, wegen der dekomprimierten Erzählweise. In 22 Seiten Manga passiert einfach nicht genug. Fast so schlimm wie ein Neunziger-Jahre-Amiheft.
- Das Internet. In Amerika haben Hefte nach wie vor einen großen Markt, aber auch der geht zurück. Neue Hefte werden weniger gekauft als heruntergeladen (legal oder nicht). Gekauft wird dann, wenn, das Trade Paperback, in dem die Hefte später gesammelt erscheinen. Sieht im Regal auch viel besser aus.* In englischsprachigen Foren wird diese Entwicklung inzwischen so diskutiert, dass eBooks und Webcomics wohl zunehmend die Rolle übernehmen, die einst das Heft hatte, nämlich die der Vorveröffentlichung vor der eigentlichen, offiziellen, kanonischen Veröffentlichung fürs Regal.
Ich mag Hefte. Ich habe sogar vor, in der nächsten Zeit wieder ein paar herauszubringen. Weil für einige der Geschichten, die ich zu erzählen vorhabe, die Heftform einfach die passendste Präsentationsform ist. Natürlich muss ich mich vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen fragen:
BIN ICH DENN DES WAHNSINNS?!?!
Nein, ernsthaft. Wo und wie will ich die Hefte denn verkaufen? Sollte ich nicht doch lieber auf dickere Einheiten hinarbeiten? Vielleicht die Geschichten umschreiben, dass sie besser in den derzeitigen Markt passen? Nicht zu vergessen, den Online-Buchhandel! Die nehmen auch lieber Bücher als Hefte!
Andererseits gibt es immer wieder Leute, die Hefte machen. Daniel zum Beispiel.
Till Felix ist nicht nur einer der Zeichner der erfolgreichen PERRY-Hefte, sondern er hat seinen 24-Stunden-Comic auch gerade zum Heft zusammengeschnippelt. (Ich bin bei meinem noch dabei.) Und nicht zu vergessen, Levin Kurio mit seinen
Weissblech-Comics! (Levin hat eine Kunst daraus gemacht, Comics zu verkaufen, WEIL sie Hefte sind.) Gibt es noch Hoffnung für das Format?
Ich bin da unentschieden. Ich denke, ich werde erstmal das
Olga-Heft herausbringen, da gibt es eh keine andere Option, bei 24 Seiten Comicteil. (Obwohl ich auch seit gestern über eine zusätzliche Luxusausgabe im Albenformat nachdenke, aber dazu später.) Und dann die Augen aufhalten, was sich auf dem Heftmarkt so tut und ob es in einem halben Jahr überhaupt noch einen gibt.
______________
*) Inwieweit illegale Downloads wirklich der Kern des Problems sind, ist zu Recht umstritten. Klar, die gibt es; klar, wer ein Downloadheft hat und ein Trade erwartet, kauft sich nicht zwischendurch das Heft. Aber Warren Ellis' Seufzer in seinem Rundbrief "Bad Signal" ist nicht vergessen: "You know, it's getting so I can't even find any comics I want to illegally download." Illegale Downloads sind eben auch eine gute Ausrede, wenn die Verkäufe zurückgehen. Ein Anlass, über andere Gründe nicht mehr nachzudenken.