Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Freitag, 2. Oktober 2009
Wie ich schreibe, wenn ich schreibe
Schreiben
Ich arbeite immer von außen nach innen.Je komplexer eine Geschichte ist, desto mehr plane ich voraus. Länge spielt auch eine Rolle: Nicht nur weil längere Geschichten dazu neigen, komplexer zu sein, sondern auch weil gutes Editing mir helfen kann, hier und da eine Seite zu sparen. Bevor ich sie gezeichnet habe und wegschmeißen muss. (Andererseits, solche Szenen geben gute Extras ab...)

Ich arbeite gewissermaßen "von außen nach innen" (siehe Bild) - in der amerikanischen Szene ist das auch als "snowflake method" bekannt. Je näher man die Schneeflocke betrachtet, desto mehr Details werden sichtbar, und desto komplexer erscheint das Gebilde (und teilweise völlig anders als von außen).

Ganz außen
Als erstes notiere ich die Grundidee und was mir dazu einfällt. Dazu gehören auch ungeklärte Fragen. Im Fall von "Sandkastengeschichten" habe ich gleich drei Ideen notiert:
1. Zwei Zicken unterhalten sich, bis Conny dazukommt. Jetzt verdrücken sie sich und lästern über Conny (Gelegenheit zur Vorstellung, ist ja die Einleitung von Band 2). Monster kommt, Conny rettet, aber die Zicken bleiben weg.
2. Conny und zwei Jungs tauschen Erfahrungen im Monsterjagen aus. Bis das Monster kommt. Conny ist als einzige vorbereitet, die anderen haben nur angegeben.
3. Conny will in einer Clique mitspielen. Das Monster ist eine Mutprobe. Als es kommt, hauen aber alle ab.

Außen
Jetzt breche ich die Grundidee in eine Szenenfolge herunter. In diesem Stadium schreibe ich immer noch viel zu viel - oft behalte ich von einer Szene nur einen einzigen "Beat", aber hier gehören die ganzen Szenen hin.
Meistens notiere ich diesen Schritt in ein Notizbuch. Manchmal auch in mein celtx-Projekt, in dem am Ende auch das Skript entsteht, je nachdem was gerade zur Hand ist. Eigentlich sind Notizbücher besser. Man hat alles handlich vor sich, und der sinnliche Akt des Durchstreichens ist auch viel schöner als so'n blödes Löschen. Die Outline schreibe ich meistens in eins der Notizbücher, die ich immer dabei habe. Am liebsten benutze ich die schwarz-roten Chinakladden, denn die bleiben aufgeklappt, wenn man sie aufklappt, man muss die Deckel also nicht wie bei manchen anderen Notizbüchern ständig stabilisieren. Außerdem ist das Papier bei Chinakladden zwar nicht immer so glatt wie ich es mag, aber sehr dünn und trotzdem einigermaßen fest.

Ziemlich weit außen
Genauso wie ich die Grundidee in eine Abfolge an Szenen umgebrochen habe, breche ich die Szenen in einzelne Handlungsabläufe um. Zunächst überlege ich mir, wie lang wahrscheinlich jede Szene wird und wie viel auf eine Seite geht. Dann schreibe ich jede Seitenzusammenfassung auf eine Seite in einem Schulheft, das ich mir extra dafür gekauft habe. Schulhefte haben den Vorteil, dass sie dünn sind. Ich kann also jeder Geschichte ein ganzes Heft widmen und verliere nicht den Überblick, wo in der Story ich gerade bin. Die meisten Hefte haben 32 Innenseiten, das reicht genau für ein 24-Seiten-Heft plus Anmerkungen/Korrekturen. (A5, blanko, übrigens.)
Das gute an Blanko-Heften ist, dass ich auch eine kleine Layoutskizze einfügen kann, um zu bestimmen, wo die Splash Panels hin kommen und so. Der Vorteil an A5-Heften ist, dass man sie überall mitnehmen kann. Und dass auf eine A5-Seite genau so viel Information geht, dass ich eine Seite gut beschreiben kann, mich aber kurzfassen muss. So werde ich das Fassungsvermögen einer Seite nie überschätzen.
Von Dialogen schreibe ich schon mal den groben Verlauf. Nie die genauen Texte, die kommen zum Schluss. Wenn was gutes kommt, schreibe ich es schon mit auf, aber ich feile jetzt nicht am Dialog.


Eingang nach innen
Wie vorher die Plotpunkte auf die Seite, teile ich den Verlauf aus dem vorigen Schritt in Einzelschritte (die ich dann später "Bilder" nenne). Manchmal mache ich das ganz brutal, indem ich über die Heftseite rüberradiere und -schreibe, machmal (in letzter Zeit meistens) ist das der Moment, in dem ich celtx anschmeiße und das Skript ins Elektroland übertrage.
Der Nachteil eines Heftes ist, dass ich nicht einfach eine Passage rausnehmen und woanders einsetzen kann. (Das ist auch einer der Vorteile, denn es zwingt mich dazu, mich beim Schreiben auf das eigentliche Schreiben zu konzentrieren.) In jedem Fall ist es gut, das Ganze abzutippen. Jedesmal, wenn ich etwas abtippe, denke ich drüber nach und lasse schon viel weg. Viellleicht, weil mir Denken leichter fällt als Tippen? Egal, jedenfalls ist Abtippen bei mir eine Form des Editierens. Jetzt kann ich auch Szenen probeweise in einer Seite zusammenlegen. Um dann alles rauszuschmeißen, was die Szene zu lang macht. Vor allem aber, um zu sehen, wie die Szenen aufeinander wirken. Keine zwei Actionszenen hintereinander, keine Blenden von einer Vergangenheit in eine andere Vergangenheit, abschätzen, ob nicht ein Dialog als Kommentar für einen anderen funktioniert - eigentlich ist das der lebendigste Teil des Schreibens, bis auf das erste Ausdenken.
Beim Umbrechen in Bilder zeigt sich bereits, was zu lang ist (Tipp: Wenn die Bildbeschreibugen sich zu sehr ähneln oder nur aus ein, zwei Worten bestehen, passiert wohl optisch gerade nichts) oder noch ausführlicher muss oder ganz banal, was vom Layout her nicht hinkommt.

Innen
Jetzt schreibe ich jedes Bild, wobei ich mich im Skript mit einfachen Beschreibungen begnüge und mehr auf die Dialoge achte - die genaue Ausarbeitung der Bilder kann ich auch noch in der Layoutskizze nachholen. Die Layoutskizze und das Dialogskript laufen etwa parallel.
Auch das Zeichnen geschieht ein Stück weit von außen nach innen: Die Layoutskizze, in der man zwangsläufig noch keine Details sieht, die Bleistiftvorzeichnungen der Hauptelemente, dann die Verfeinerungen, und je näher ich an die eigentliche Zeichnung herankomme, desto mehr Details werden sichtbar.

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