Es heißt, viele Diebe zieht es zurück an den Ort des Verbrechens. Manche lungern noch während der Spurensicherung am Tatort rum und verraten sich dadurch. Andere bleiben während des Einbruchs viel zu lange in der Wohnung, führen Ferngespräche, pinkeln auf den Teppich und verhalten sich sonstwie respektlos gegenüber ihren Opfern. Solche Leute sind wie schlechte Autoren.
Ich stoße immer wieder auf solche Fälle - meistens unerfahrene Erstlinge, aber auch gefeierte Bestseller-Autoren -, die nicht genau zu wissen scheinen, was sie wollen, und vor allem, was sie nicht wollen. Sie scheinen sich in der Pflicht zu sehen, dem Publikum möglichst viel zu geben -. nicht viel Qualität, erst recht nicht viel Editing, sondern viel Material. Aber sie vergessen, dass ihre Geschichten keine Geschenke sind. Sie kosten. Zeit. Aufmerksamkeit. Ach ja, oft auch noch Geld. Je mehr Zeit/Text/Aufmerksamkeit dabei für bloßes Gelaber verschwendet wird, desto stärker grenzt das an Diebstahl.
Neulich habe ich den
Da Vinci Code gesehen. Eine seltsame Erzählstruktur. Die ersten anderthalb Stunden folgt die Geschichte dem Thrillergenre, aber nachdem die Krimihandlung aufgeklärt ist, kommt noch eine Dreiviertelstunde oder so, um die übriggebliebenen Geheimnisse aufzuklären - was stinklangweilig ist, nicht nur weil man das alles wahrscheinlich schon geraten hat, sondern vor allem weil nichts mehr auf dem Spiel steht. Keine Bedrohung mehr, keine Spannung.
Oder der neue
STAR TREK. Der Film hält sich viel zu lange bei der Jugend von Spock und Kirk auf, in der Annahme, dass die Geeks, äh, Fans all diese Vorgeschichten, die sie durch Anspielungen seit Jahrzehnten kennen, auch noch sehen wollen. Auf die Weise dauert es Ewigkeiten, bis die Crew endlich auf der Enterprise landet und die eigentliche Handlung losgeht. Und zu dem Zeitpunkt hat man schon so viele Nebenhandlungen als wichtig präsentiert gekriegt, dass man nicht recht weiß, ob man sich jetzt über diese freuen soll.
Seit "Diebstahl" in den Medien vor allem als Metapher fürs illegale Runterladen von Daten gebraucht wird (was ich, als kürzliches Opfer richtiger Diebe, für eine grobe Beleidigung halte - da bemächtigen sich irgendwelche Promis meiner Viktimisierungserfahrung, um ihre Luxuswehwehchen zu kriminalisieren - aber
das gehört nicht hierher), ist das Wort offenbar zum Bastardisieren freigegeben. Hier also mein frisch bastardisierter Rat an alle Autoren:
Ihr seid Diebe! Jetzt seid aber auch gute Diebe! Hier sind ein paar Tipps zum besseren Stehlen.
- Nehmt den Einstieg, der euch am direktesten zur Beute führt. Das ist in den seltensten Fällen der Haupteingang. (Siehe STAR TREK.)
- Schnappt euch, was Ihr braucht, und nicht mehr. Wenn Ihr euch zu viel aufhalst, ist das nur Ballast, und Ihr kommt schlechter weg. Außerdem kostet es euch Sympathien, wenn Ihr zu gierig seid. (Siehe nochmal STAR TREK.)
- Wenn Ihr alles habt,
verschwindet. (Siehe Da VINCI CODE.)
Geschichte und Literatur sind voll von interessanten, liebenswerten Dieben. Robin Hood, Dillinger, Catwoman, John "Die Katze" Robie, das Team von LEVERAGE - solche Diebe mögen wir. So wollt Ihr sein, so wollt Ihr wahrgenommen werden. Das wird euch dann vor Gericht auch zugute gehalten. Wenn man euch überhaupt anzeigt.
Seid gute Diebe. Keine gemeinen Verbrecher.