Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Mittwoch, 25. März 2009
Nach der Messe: Mangas am Ende?
Verkaufen
Rein kommerziell darf man große Comicveranstaltungen natürlich nie betrachten, aber lohnen sollten sie sich trotzdem. So gesehen, also rein kommerziell, war die Leipziger Buchmesse für mich ein Flop. Immerhin, es gab viel zu signieren, und wenn nicht ein paar Unplanbarkeiten dazwischengekommen wären, wie geklaute Bücher und so was, hätte ich zumindest die Unkosten wieder rausgeholt. Meine Hoffnung, die Verluste aus Berlin aufzufangen, hat sich aber nicht erfüllt.

Sehr subjektiver Eindruck von der Leipziger Buchmesse 2009Anders als in Berlin, wo nur wenig Messe-, dafür aber umso mehr Börsenpublikum kam und statt neuer, interessanter Impulse alte, seltene und/oder billige Gebrauchtcomics suchte, bestand das Publikum von "Comics in Leipzig" zum größten Teil aus jugendlichen Manga-Fans, die sich vor allem für Originalzeichnungen der Mangaka (Mangakas?) interessierten. Seit einigen Jahren ist "Comics in Leipzig" eher eine Mangaconvention als eine Comicmesse. Dagegen ist nichts einzuwenden, Mangas sind schließlich auch Comics, und noch dazu sehr beliebte. Aber es geht schon so weit, dass Comicverlage wie Edition 52 und Reprodukt sich jetzt einen Stand bei den Buchverlagen gesichert haben. Das mag neben den Mangas auch am Anspruch liegen, jetzt Graphic Novels zu machen statt schnöder Comics. So oder so, bereits als ich am Vorabend durch die noch leere Messehalle schlurfte, hatte ich Schwierigkeiten, vor lauter Spielzeug-, Klamotten- und Posterständen, zwischen der japanischen Teeküche und der Go-Halle, überhaupt Comics zu finden, japanische oder andere. Diese Ausrichtung blieb die ganzen vier Tage ein Problem für uns, die wir gekommen waren, um Comics zu verkaufen.

Ich kann als Nichtfachmann natürlich nur meine oberflächlichen Eindrücke deuten, aber es sieht so aus, als wäre der Manga-Boom am Ende. Zumindest in Leipzig schien es mehr um Kostüme, Kakaokarten und Spiele, ums Ausleben einer japanisch codierten Jugendlichkeit zu gehen als um die Geschichten. Die Mangas an unserem Stand gingen zwar immer noch besser als die Comics, aber auch sie wurden von vielen Cosplayern eher widerwillig wahrgenommen. Auch auf die Veröffentlichungen wirkt sich das bereits aus: wie ich höre, werden zur Zeit bei den großen Verlagen viele Serien eingestellt und es wird immer schwerer, Mangas mit eigenen, nicht etablierten Themen unterzubringen. Jedes Medium wächst aber mit den unterschiedlichen Perspektiven, die neue Leute reinbringen. Wenn die neuen Einflüsse ausbleiben, erstarrt es. Die Chance, eine lebendige, eigenständige Manga-Kultur zu begründen, liegt jedenfalls in genau der anderen Richtung.

Zeichnen spielt nach wie vor eine große Rolle in dieser Subkultur, deshalb werden die Mangas nie ganz aufhören, Teil davon zu sein. Aber sie stehen nicht mehr im Vordergrund, jedenfalls nicht als Erzählungen. Eher als Grundierung der Bilder, nach denen sich die Szene gestaltet. Vielleicht kommt das daher, dass nur ein Bruchteil der Mangaka in dieser Szene wirklich Mangas macht. Weit öfter sehe ich Pinups im Manga-Stil. Um diese Pinups und andere Einzelzeichnungen scheint sich die Szene inzwischen zu formieren.

Mich erinnert das an den Superheldenboom in den Neunzigern. Auch damals gab es eine Menge Leute, die mit den Comics nichts am Hut hatten. Comics, möglichst mit Variant-Covern, waren für diese Kids zum Sammeln und Wertsteigern da. Wie sollten sie die auch lesen, wenn es tabu war, sie aus dem Schutzumschlag zu nehmen? Dann gab's noch die Trading Cards und die widersinnig benannten Action-Figuren. Und auch damals ging ein großer Teil der kreativen Energie der zeichnenden Fans eher in Pinups als in Comics, übrigens auf weit niedrigerem Niveau als heute bei den Mangafans. All das kam aus den Comics, führte aber nicht dahin zurück.

Das muss alles nichts Schlechtes sein, höchstens aus Comicautorenperspektive. Ich will ja, dass die Dinger gelesen werden. Nicht nur meine, auch die Mangas. Und ich will, dass Dinge drinstehen, die die LeserInnen herausfordern und unterhalten, und dass sich die Bildsprache eigenständig entwickelt. Vor allem will ich, dass die Inhalte sich unabhängig von der Bildsprache entwickeln, sprich: dass die deutschen Mangaka auch ihre eigenen Themen einbringen. Das bedeutet noch lange nicht, dass die Kids dasselbe wollen.

Wenn ich mit meiner zugegebenermaßen unwissenschaftlichen Beobachtung recht habe und die Szene löst sich vom Manga, dann liegt darin langfristig auch eine Chance. Es wird dann eine eingeschworene und immer jünger werdende Szene geben, die cosplayt, Kakaokarten tauscht und nicht über den Tellerrand guckt - und eine riesige Marktlücke für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mehr wollen. Es gibt immer den Durst nach neuen Geschichten. Ich kenne bereits jetzt viele Manga-Fans, die sich nicht mit dem in Deutschland verfügbaren Angebot, vor allem aber mit dessen inhaltlicher Bandbreite, zufriedengeben. Diese Leser orientieren sich am Angebot anderer Länder und lesen auch gerne mal andere Comics. Die großen Verlage werden sich, wenn die Manga-Blase der letzten Jahre erst mal geplatzt ist, nicht gleich an diese Geschichten wagen. Wie immer, kommen die neuen Impulse aus dem Independent-Bereich. So war es auch bei den Superhelden.

... Kommentieren

Speichern/Mitteilen
Der m(ech)anische Comiczeichner
xml version of this page Abonnieren
Menu
Startseite
Mission Statement
Kategorien:
Arbeitsorganisation
Herausbringen
Inspiriertwerden
Planen
Schreiben
Verkaufen
Vernetzen
Zeichnen

E-Mail-Abo

Deine Email:

Abonniere den Feed dieses Blogs per Mail!

Delivered by FeedBurner

Web
Aktivitäten:
Jählings Webseite
Jähling's English site
Jählings Tweets
Patreon
Umfeld:
LOA
PANEL online
Comicforum

Inspiration:
Millus: Wie werde ich Comiczeichner?
Frank Plein: Der Comic im Kopf
Daniel Gramsch: Aicomic - Zeichenkurs
Lachwitz, der
I Should Be Writing
Jane Espenson
John Rogers
John August

Suche
 
status
  • Einloggen

  • Blogger.de Startseite
    Creative Commons Lizenzvertrag
    Der m(ech)anische Comiczeichner von Max Vähling ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.

    ©2006-2016 Dreadful Gate Productions. Impressum und Kontakt.