Olga reagierte blitzschnell. Mit einer beiläufigen Handbewegung schlug sie dem verdutzten Agenten das Tablett aus der Hand. Als es zu Boden fiel und sich die Abdeckung löste, kam eine 9mm zum Vorschein, die der gegnerische Agent dort statt des bestellten Bratens versteckt hatte. Olga und der feindliche Agent stürzten sich gleichzeitig auf die Pistole, aber Olga (immer noch blizschnell und mit dem Schwung ihrer vorigen Bewegung) war eine Milisekunde schneller als der Agent (immer noch verdutzt). Sie rollte sich elegant ab, um Abstand zu gewinnen, und richtete die Waffe auf den Agenten. "Na?", spottete sie, "eisenhaltige Nahrung heute?"Ehrlich, wie hält man so was aus?
Bild 1Schnell, auf den Punkt, und ich muss nicht mal nachschlagen, wie dieses Käseglockendings für Braten wirklich heißt.
Olga wirbelt herum und schlägt dem Kellner das Tablett aus der Hand. Die Abdeckung löst sich, und ein Revolver ist zu sehen, wo eigentlich der Braten sein sollte.
Bild 2
Olga stürzt sich schwungvoll auf die Pistole, die jetzt am Boden liegt. Der Kellner/Agent im Hintergrund setzt ebenfalls an, ist aber erkennbar langsamer.
Olga: Na?
Bild 3
Olga hockt sprungbereit am Boden (die Haltung, die man hat, nachdem man sich abgerollt hat und auf den Füßen aufgekommen ist). Sie richtet die Waffe auf den verdutzten Agenten/Kellner.
Olga: Eisenhaltige Nahrung heute?
Blitzschnell schlug Olga dem verdutzten Kellner das Tablett aus der Hand und stürzte sich auf die darin versteckte 9mm, die jetzt zu Boden fiel. Sie richtete die Waffe auf den feindlichen Agenten im Kellnerkostüm. "Na?, spottete sie, "Rache, kalt serviert?"Dann lieber gleich Flash Fiction. Je nachdem, wen man fragt, sind das Kurzgeschichten von einigen hundert Worten (manchmal bis hundert, manchmal bis fünfhundert oder tausend). Da kommt man nicht ins Labern. Die letzte Kurzgeschichte, die ich angefangen habe, endete bei 650 Worten. Eigentlich hatte ich noch ein Kapitel schreiben wollen, aber es war schon alles gesagt. Seitdem habe ich mich noch ein-, zweimal an Flash Fiction versucht, aber irgendwie war mir das dann auch zu viel Text.
Blitzschnell schlug Olga dem Ober das Tablett mit der versteckten 9mm aus der Hand. "Na?", grinste sie den enttarnten Gegner an, "auf Diät?"Das hat einen besonderen Reiz, denn es kommt wirklich auf jedes Wort an. Ach was, auf jeden Buchstaben. Übrigens bin ich nicht der einzige, der diese Idee hatte. Mir sind allein schon zwei Twitter-Zines bekannt, die tweetlange Kurzgeschichten veröffentlichen: thaumatrope und Outshine. (Genaugenommen veröffentlicht Outshine keine Kurzgeschichten, sondern "Prose Poems", aber das kann Kurzgeschichten umfassen.)
Blitzschnell entwaffnet. Agent enttarnt. Olga: "Na?"Wired hatte eine Idee von Ernest Hemingway aufgegriffen, der gewettet hatte, er könnte eine Kurzgeschichte mit nur sechs Worten schreiben. (Er konnte, und was für eine.) Über 90 Autoren schrieben eigene Sechs-Wort-Geschichten für Wireds Hemingway-Hommage. Leider lasen sich die meisten davon eher wie Sprüche oder Überschriften - das Gefühl, etwas erzählt zu kriegen, stellte sich nicht immer ein. Das ist die größte Gefahr beim Kurzfassen. Dass am Ende nicht unbedingt eine Geschichte da steht. Hemingways Kunststück bestand darin, die eigentliche Geschichte außerhalb der Informationsmenge stattfinden zu lassen (wie im Comic). Aus seinen sechs Worten erfahren wir nur, dass "nie getragene" Kinderschuhe angeboten werden. Die Tragödie, die dazu geführt hat, dass offenbar jemand Anlass hatte, Babyschuhe zu kaufen, aber keinen mehr, sie zu benutzen, erschließt sich erst danach. Ausgelöst durch sechs Worte, spielt sich die Geschichte vor unserem inneren Auge ab, ohne eigentlich erzählt zu werden.
FLIRT. Sie nickte. Auf bulgarisch hieß das "nein". Was ich nicht wusste. Oberflächlich betrachtet, verstanden wir uns bestens.Ganz schön anstrengend, was? Stellt euch das mal als Lesung vor. Um einen Abend zu füllen, müsste ein Autor nicht nur, sagen wir, neunzig Geschichten schreiben, sondern neunzigmal die Aufmerksamkeit des Publikums einfordern - und sie neunzigmal belohnen. Wer schon mal eine Anthologie zusammengestellt hat, weiß, dass der Trick im geschickten Durchmischen der kurzen und langen Beiträge liegt. Das ist bei Lesungen nicht anders. (Es gibt wohl eine hypothetische Mittellänge, bei der es nicht so drauf ankommt, aber die liegt deutlich über 140 Zeichen oder auch nur 500 Worten.)
DUO. Er wollte wie Lennon sein. Das machte mich zu McCartney. Wir brauchten weder George noch Ringo. Am Ende aber auch keine Yoko.
PLATITÜDE. "Die schönsten Geschichten schreibt das Leben", sagte er und widerlegte sich sogleich. "Nimm mich zum Beispiel..."
PATT. Er hätte zufrieden sein sollen, aber er wollte sicher gehen. "Wirst Du mich ewig lieben?" Sie bat um Bedenkzeit. Würde er ewig warten?
BELAGERUNG. Ausharren. Tagelang. Irgendwann rief Joe: "Lockvogel!" Ich glaube, er wollte nur raus aus der Uniform. Aber das Kleid stand ihm.
Ein Schlag, und das Tablett lag am Boden, daneben die darin versteckte 9mm. "Na?" grinste Olga den verdutzten Spion an, "auf Diät?"Eigentlich sollte man die gleiche Mühe auch auf jeden Satz in längeren Texten verwenden, aber wer tut das schon?
(131 Zeichen. Fehlt außerdem an Action.)
Mit einer Bewegung schlug Olga dem Spion das Tablett aus der Hand und bemächtigte sich der darin versteckten 9mm. "Na?, grinste sie, "auf Diät?"
(144 Zeichen. Muss sie sich eigentlich bemächtigen?)
Fast beiläufig schlug Olga dem Spion das Tablett mit der versteckten 9mm aus der Hand. "Na?", grinste sie, "auf Diät?"
(118 Zeichen, kann ich ja eigentlich noch was wieder reinnehmen. Vielleicht das mit dem Enttarnen. Und natürlich das "blitzschnell".)
Blitzschnell schlug Olga dem Kellner das Tablett mit der versteckten 9mm aus der Hand. "Na?", grinste sie den enttarnten Gegner an, "auf Diät?"
(143. Jetzt müssen Synonyme her.)
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