Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Mittwoch, 16. Juli 2008
Dr. Horrible: Wie man das Internet kaputt macht
Herausbringen
Joss Whedons Internet-Musical Dr. Horrible's Sing-Along Blog hat bereits am ersten Tag alles getoppt, was es zu toppen gab. Die Webseite ist vor lauter Anfragen abgestürzt, und nicht nur sie - auch das Whedon-Fanblog Whedonesque ist unter der Last zusammengebrochen. Das ist das Ergebnis einer massiven, fan-basierten Promotion-Kampagne in Verbindung mit einem Namen, der immer solche massiven Fan-Reaktionen hervorbringt. Was immer Joss Whedon anpackt - es wird seine Fans finden, und zwar lange bevor es überhaupt existiert. Zu seiner neuen Fernsehserie Dollhouse mit Eliza Dushku gibt es bereits jetzt die erste Fan-Initiative, um ein Absetzen durch den Sender (das Schicksal von Angel und, berühmt dafür, Firefly) zu verhindern - ein halbes Jahr, bevor die Serie überhaupt anläuft. Das erste Heft der langerwarteten achten Staffel von Buffy war im Nu ausverkauft und musste nachgedruckt werden - was Warren Ellis zu dem Verdacht angeregt hat, Dark Horse hätte extra zu wenig gedruckt, um die Schlagzeile "ausverkauft!" nachschieben zu können.

Ein bisschen habe ich auch bei Dr. Horrible den Verdacht, dass der Absturz nicht ganz ungelegen gekommen ist. Ich habe ja bereits den Verdacht geäußert, dass die Verknappung dees Zugangs dazu beitragen kann, hinterher den kommerziellen Download und die DVD umso begehrter zu machen. Und ein Videostream, der so beliebt ist, dass die Seite nicht mehr geladen werden kann, trägt stark zur Mythisierung des Werks bei, zum Eventcharakter, denn man kann sich noch spezieller vorkommen, wenn man's denn gesehen hat.

Ich meine, ehrlich: Wenn die Macher des Films es darauf angelegt hätten, dass möglichst viele Leute ihn sehen, hätten sie ihn quer über alle Plattformen gepostet - bei YouTube, Google Video, was weiß ich. Stattdessen gab es ihn außer auf der Original-Seite nur bei iTunes. Eingeschränkt.

Was lernen wir? Manchmal kann es sich auch im Netz lohnen, einen Inhalt verknappt anzubieten - vorausgesetzt, die Knappheit entsteht durch die Dynamik im Vorfeld und nicht, indem man den Zugang von vornherein nur für wenige Kunden zulässt. Als Radiohead ihr letztes Album zum Download angeboten haben, quasi umsonst, wenn man wollte, haben Kritiker geunkt, so was könne sich schon lohnen. Wenn man denn Radiohead ist. Das Gegenteil ist der Fall: Nicht das breite, niedrigschwellige Angebot muss man sich im Netz erstmal leisten können, sondern die Verknappung.

Tja, und hat sich der Ärger gelohnt? Taugt das Musical was? Dazu kann ich zweierlei sagen. Erstens: Klar. So weit ich's nach dem ersten Akt beurteilen kann, ist das Ding jedes Bisschen so gut wie Joss' letztes Musical, Once More with Feeling. Der Gesang ist sogar besser. Neil Patrick Harris ist so witzig wie lange nicht und geradezu herzzerreißend als sympathischer Loser, der sich als Superbösewicht etablieren will. Ohne allzu überstiegene Vergleiche zu provozieren, hat mich Dr. Horrible ein wenig an Reception Man erinnert - hier wie da steht nicht die Tätigkeit des Helden im Vordergrund, sondern sein Bemühen, sich in der jeweiligen Szene zu etablieren. Es ist die Ballade des Außenseiters, der sich nach innen durchschlagen will und nicht weiß wie. Und wenn Reception Man singen würde, dann bestimmt mit einer ähnlich unsicheren Stimme wie Dr. Horrible.

Zweitens: Darum geht es nicht. Selbst in seinen schlechtesten Momenten schreibt ein Whedon noch gut genug, um zumindest den Fans standzuhalten, und selbst in dem Fall wäre es ein Hit geworden. Das Event ist immer unabhängig vom Inhalt. Dass der Inhalt mit einer dermaßenen Qualität daherkommt, bestätigt nur das Vertrauen, das wir alle in Joss haben. Überraschen dürfte es niemanden. Und wäre es nicht so gewesen, es hätte dem Erfolg keinen Abbruch getan.

Noch ein abschließender Gedanke: So ein Musical ist auch ein wunderbares Instrument viralen Marketings. Ich frage mich oft, was ich den Lesern mitgeben kann, das ihre Aufmerksamkeit über den Moment des Lesens hinaus beschäftigen kann (lange genug, um anderen davon zu erzählen). Beim Musical erledigt sich die Frage von selber - wenn die Songs ohrwurmig genug sind, trägt sie der Zuschauer von selbst mit davon.

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