Das Conny-Heft ist nicht mal halb fertig, und schon mache ich mir Gedanken um die Vermarktung. Das ist okay und normal, denn man kann nicht früh genug damit anfangen. Es gibt ja so viele Fragen. An wen schicke ich Presseerklärungen und/oder Rezensionsexemplare? Bringe ich doch ein richtiges Heft heraus, oder lasse ich's erstmal beim eBook? Bei welchen Portalen biete ich den Download an? Druckauflösung oder Bildschirmauflösung? Füttere ich eine eigene torrent-Datei in die p2p-Netzwerke ein oder gehört sich das nicht und ich muss warten, bis es echte Piraten tun? Und vor allem: Was soll der Spaß kosten? Zumindest zu dieser Frage gibt es Im Moment in der Internet-Szene eine interessante Diskussion. Im Kern ist sie so alt wie das Internet, in der aktuellen Form hat sie einen konkreten Auslöser: Das neue Radiohead-Album.
Was können wir überhaupt von der Musikindustrie lernen? Auf den ersten Blick eigentlich nur, wie man es nicht macht. Seit Jahren beklagen sich Vertreter der großen Plattenfirmen darüber, dass ihnen die Käufer weglaufen, und seit kurzem laufen ihnen nebenbei auch noch die Musiker weg, denn niemand mag schlechte Verlierer. Was ich von dieser Einstellung halte,
habe ich ja bereits vor einiger Zeit in Comicform festgehalten. Aber das ist nur der erste Blick.
Gönnen wir uns also einen zweiten.
Die "Krise" der Musikindustrie ist in erster Linie ein Einbruch bei den CD-Verkäufen. Das ist das alte Geschäftsmodell, das jetzt ausläuft.
Allen anderen Sparten geht es gut. Nur die Tonträger werden immer mehr zum Nebenprodukt. Deshalb, und weil es Wunder für die Glaubwürdigkeit der Künstler tut, wenden sich immer mehr Stars von der relativ unflexiblen Plattenindustrie ab und
suchen alternative Vermarktungswege. Einige, wie Madonna, verlegen einfach ihr Gewicht vom Stand- aufs Spielbein und lassen sich von Konzertveranstaltern vermarkten (einschließlich der CDs), oder suchen sich ganz andere Geschäftspartner wie Paul McCartney bei Starbucks. Prince hat seine letzte CD gratis mit einer Tageszeitung verteilt, oder eigentlich sollte man sagen, beworben, denn die meisten Prince-Fans dürften diese (englische) Zeitung nicht gekriegt und sich einfach das Album gekauft haben. Während mir Prince herzlich egal ist, hat inzwischen Kinks-Sänger Ray Davies nachgezogen, übrigens nicht, um ganz vorne beim Zeitgeist mitzumachen, sondern weil er es für das kleinere Übel hält. Hier passt die Verbindung zwischen Zeitung und CD noch besser: Es gibt kaum etwas Britischeres als die Morgenzeitung und die Kinks, oder? Lustigerweise scheint hier die Musikindustrie von den Comics zu lernen. Denn, mal kurz nachgedacht, welche andere Kunstform ist eigentlich immer schon gratis mit der Morgenzeitung gekommen?
Für mich als Selbstverleger ist natürlich am interessantesten, was
Radiohead gerade macht. Deren neues Album ist als Download auf ihrer Webseite erhältlich, und den Preis kann man selber bestimmen. Ist nicht ganz neu, das Konzept: Jane Siberry macht das seit Jahren in ihrem Onlineshop Sheeba, aber in Radiohead-Größenordnung hat das noch niemand gewagt. Was mich auf den ersten Blick an Radioheads Konzept gestört hat, ist, dass es keine Hörproben gab, und dass man nur mit Kreditkarte bezahlen kann. Beides lässt sich umgehen - wer 0,00 Pfund als Preis angibt, muss keine Kreditkarteninformationen angeben, und hat auch gleich seine Gratisprobe. Wenn ich später entscheide, das Album doch noch mit ein wenig Geld zu würdigen, kann ich's ja theoretisch einfach nochmal kaufen. Praktisch nicht, denn ich habe dann immer noch keine Kreditkarte.
Das Album verkauft sich gut, und der Durchschnittspreis liegt Schätzungen zufolge irgendwo bei 2-4 Pfund, was wohl auch genau der Wert eines MP3-Albums ist. (Wer immer die Schnapsidee hatte, MP3-Alben zu CD-Preisen zu verkaufen, wollte wahrscheinlich nur bweisen, dass das nicht geht.) Bei Sheeba pendeln sich die Preise irgendwo knapp über dem empfohlenen Preis von 0,99 USD pro Stück ein, aber ich habe keine Ahnung, wieviele Käufer das sind.
Mit deutlichem Bezug auf Radiohead hat jetzt der Kleinverleger Ambrosia Publishing angefangen, seine Online-Comics nach dem Zahl-was-Du-willst-Prinzip anzubieten. Es ist noch zu früh, von wirklichen Erfahrungen zu sprechen, aber auch hier scheint sich der Preis irgendwo in der Nähe des ursprünglich veranschlagten Preises einzupendeln. Wir können gespannt sein, wie sich das entwickelt, auch gerade wenn noch andere Anbieter es versuchen.
Ich habe das natürlich auch gleich überlegt. Mache ich ja immer, wenn ich irgendwo eine gute Idee aufschnappe. Genau so kann ich das allerdings nicht machen, weil PayPal, das für mich zur Zeit praktischste Abrechnungssystem, bei meinem Konto für jede Transaktion 0,35 EUR verlangt. Bei kleineren Überweisungen zahle ich drauf. Stattdessen bin ich am Überlegen, gestaffelte Preise anzubieten. (Auch das hat die Plattenindustrie probiert, aber nur sehr halbherzig.) Möglicherweise mit demselben Angebot für verschiedene Preise, und man kann sich dann aussuchen, was man zahlen will, oder ich biete verschieden teure Versionen an, etwa so:
Einfache Ausgabe in Bildschirmauflösung - 0,00 EUR (die gibt es ja eh schon online)
Erweiterte Ausgabe (also mit Extras) in Bildschirmauflösung - 0,49 EUR
Einfache druckbare Ausgabe - 0,49 EUR (Oder vielleicht doch mehr? Was ist mehr wert, Extras oder Druckauflösung?)
Druckbare Ausgabe mit Extras - 0, 99 EUR
Nach oben hin ist das Modell offen. Ich könnte noch eine De-Luxe-Ausgabe mit richtig vielen Extras machen, oder eine personifizierte, in der der Kunde an einer Stelle namentlich erwähnt wird. Oder signiert, mit gescannter Widmung. Oder eine zweisprachige Ausgabe.
Ich denke, ich werde das beim ersten Conny-Heft einfach mal probieren, zusätzlich zur Lulu-Ausgabe zum Festpreis und was ich sonst noch im Netz verteilen kann. Und dann mal sehen, ob sich's lohnt.
Wie ich in besagtem Comic bereits geschrieben habe. Von der Musikindustrie zu lernen, lohnt sich. Denn die haben jede Menge Geld, also müssen die ja wohl wissen, wie man an so was rankommt.