Schreiben? Bei mir macht das der Computer.
Gerade ist die neue Version des Schreib- und Schreibplan-Programms
celtx erschienen. Ich weiß, das enttäuscht jetzt einige, dass die Skripte nicht einfach aus mir herausfließen und ich auch noch spezialisierte Software einsetze, um sie zu schreiben. Aber ich habe da keine Berührungsängste. Solange die Software nicht selbsttätig die Geschichten schreibt, sind das einfach alles Werkzeuge, die mir helfen, meine Geschichten anzulegen. Meine Notizbücher sind auch sehr schön, aber auf Dauer halt etwas unübersichtlich. So habe ich neulich noch eine Szene gefunden, die ich ursprünglich für MINA geschrieben, dann aber glücklicherweise nicht gebraucht (und dementsprechend vermisst) hatte. Nicht dass so was nie wieder passiert, wenn ich erstmal die richtige Software habe - bei allen Computerfreuden kommt immer noch viel in Notizbücher und Schulhefte, das gehört für mich zum kreativen Prozess wie das Vorzeichnen. Und Dateien muss man ja auch erst wiederfinden.
Ich glaube, ich brauche beides - die Übersichtlichkeit des Schulhefts auf der einen Seite, wo die Skriptseite auch meistens etwa einer Seite im Heft entspricht und mir ein Gefühl über die Seite und die Position im Heft gibt. Von Filzstiften sehe ich an dem Punkt ab, denn ich schiebe viel hin und her und schreibe um, was das Zeug hält. Also Bleistifte. So entsteht die erste Fassung des Skripts, und oft ist das auch die, nach der der Comic entsteht. Überhaupt, es gibt kaum etwas so Befreiendes wie einfach loszuschreiben. Und das geht am besten weitab von komplexen Programmen und den Ablenkungen, die so ein Computer mit sich bringt. Besonders im Sommer, wenn der Balkon lockt.
Es gibt aber auch den Punkt, an dem ich das ganze elektronisch erfassen muss, einfach um die Elemente noch mehr herumschieben zu können. Das passiert vor allem, wenn mir eine Geschichte noch zu lang ist - dann muss editiert werden, und damit nicht alles völlig unansehnlich/unlesbar wird, und damit ich das Hin-und Herschieben mit Drag & Drop machen kann statt mit Radiergummi und Abschreiben, mache ich das elektrisch. Noch wichtiger ist der Computer (geworden), wenn es um die Planung eines ganzen Projekts geht. Notizen, Ideen für einzelne Szenen, von denen ich oft noch nicht mal weiß, wo sie am Ende hinsollen, neue Figuren - naja, das fängt auch alles in Notizbüchern an. Aber wenn ich mich erstmal auf ein Projekt einschieße, komme ich am besten voran, indem ich alles darüber in eine Datei speichere, und diese Datei muss komplexer sein als eine Textdatei. (Ein Ordner mit vielen Textdateien tut's aber auch.)
Über Jahre habe ich dafür
CueCards verwendet. Das Programm präsentiert eine Ansammlung von Notizen in einer übersichtlichen Baumstruktur, wobei viel davon abhängt, wie die Einträge genannt werden. Man kann auch Dateien importieren, aber das habe ich nie so richtig hingekriegt. Wichtiger ist, man kann sie auch exportieren, in eine große html-Datei zum Beispiel. Das Programm hilft bei Projekten, die nicht zu kompliziert sind. Ich lege dann meistens eine Kategorie für den Comic an und in dieser Kategorie mehrere Einträge für die Synopsis, Notizen und das eigentliche Skript. Geht eigentlich ganz gut. Aber inzwischen benutze ich CueCards nur noch, um den Überblick über große Projekte zu halten, etwa das Conny-Album. Dann kriegt jede Geschichte einen Eintrag, aber das Skript schreibe ich woanders.
yWriter ist ein betörendes kleines Programm, das mir erlaubt, Geschichten szenenweise zu entwerfen und zu verwalten. Beim Verwalten kann ich zu jedem Kapitel den Ton, die Hauptfigur oder welche Kategorie auch immer festlegen und das ganze dann aufgelistet kriegen, so dass ich von außen sehen kann, wo noch eine Actionszene fehlt oder so. Bei Kurzgeschichten von 6-8 Comicseiten ist die Übersichtlichkeit nicht so das Problem, aber ich kann auch äußere Notizen ins Projekt integrieren, Charakterbögen etwa. Das Programm wurde eigentlich für Romanautoren im Zusammenhang mit den
NaNoWriMos entwickelt, was bedeutet, dass ich es nie wirklich ausgenutzt habe. Brennt mir aber unter den Nägeln. Jetzt wo ich das habe. Wozu es sich auch gut eignet, ist dieses Blog. Nicht so gut: Comics, denn es enthält keine Formatvorgaben für Comicskripte. Das eigentliche Skript müsste dann also woanders entstehen.
Erst gegen Ende der letzten großen Conny-Geschichte,
MINA, habe ich celtx entdeckt, deshalb hatte ich noch nicht so richtig Gelegenheit, es auszuprobieren. Das Programm erlaubt, Szenen anzulegen, enthält Templates für verschiedene Skriptformate, Notizzettel, Produktionsnotizen, vorformatierte Charakterbögen, und wer einen Film drehen will, kann sogar einen Drehplan damit erstellen. Schön ist auch die Storyboard-Option. Für Fließtexte ist celtx übrigens nicht so geeignet (doofes Template), aber halt für Filme, Theaterstücke, Audiodramen etc. Die Szenen-Verwaltung ist leider nicht so detailliert und variabel wie bei yWriter. Ideal wäre wahrscheinlich ein Hybrid aus beiden.
Und jetzt haben sie auch noch ein Comic-Template entwickelt. Bisher habe ich das Film-Template benutzt (bei den beiden Seiten, die ich bisher für Vol. 2 geschrieben habe), und das ging ganz gut. Aber natürlich will ich das neue Template jetzt auch ausprobieren. Die erste Begeisterung ist zur Zeit allerdings noch verhalten.
Zunächst fällt auf, dass das Ausgabeformat der Skripte gewöhnungsbedürftig ist. Statt des gewohnten, am Drehbuch angelehnten Zeilenlayouts
(hier als Beispiel das Skript zu DIE) gibt es eine Tabelle mit Bildbeschreibungen links und Dialogen rechts
(und hier das Beispiel dafür). Das ist eigentlich ganz praktisch, aber halt ungewohnt. Und ich bin gewöhnt, an allen möglichen Stellen Anmerkungen unterzubringen, die nicht unbedingt zum Bild gehören. Wo kommen die hin? Nun ja, das sind Kleinigkeiten. Schwieriger ist die Zuordnung der Layoutoptionen.
Im Drehbuchmodus habe ich acht Layoutvorgaben für die verschiedenen Absatzarten (Charakter, Dialog, Szenentitel etc.), die ich wie folgt besetzt habe:
Szenen-Überschrift: Seitennummer, Bilder pro Seite, evt. Seitenüberschrift.
Anmerkung: Kurzbeschreibung der Seite. Dafür wäre auch jede andere Formatoption gegangen, Hauptsache sie unterscheidet sich von den anderen.
Schnitt: Bezeichnung und Position des Panels.
Handlung: Beschreibung des Panelinhalts.
Figur: Äh, Figur. Bei Textboxen ist die Figur dann "Caption". Lässt sich genauso auch für Soundeffekte benutzen. In Klammern hinter den Namen kommen dann Hervorhebungen wie "schreit" oder "leise".
Dialog: Selbiger. Oder halt der Kommentar in der Textbox.
Damit benutze ich regelmäßig sechs der acht Layoutoptionen des Drehbuch-Templates. Das Comic-Template hat genau sechs: Seite, Bild*, Caption*, Figur, Sprechblasen-Typ, Sprechblase. Vier dieser sechs Vorlagen behandeln die Textintegration, für die ich vorher zwei gebraucht habe, und das inkonsequent, denn wo es eine Unterteilung in Captions und Sprechblasen gibt, wäre eine Extra-Option für Soundeffekte auch gut gewesen. Die Szenen-Überschrift und die Bildbezeichnung werden vom Programm geliefert, die jeweiligen Angaben dazu muss ich aber in die Beschreibungen quetschen. Es gibt keine ausgewiesene Option für Extra-Notizen, die im Skript erscheinen sollen (für andere Notizen gibt es einen eigenen Programmpunkt), oder auch nur eine, die irgendwie dafür frei wäre. Anpassen lässt sich das Template auch nicht. Naja, theoretisch schon, ist ja open source, aber halt nicht innerhalb des Programms. Fehlt also vorne und hinten was.
Da kann man drum herumschreiben, und erst die Praxis wird zeigen, ob ich die fehlenden Optionen wirklich vermissen werde. Zur Not kann ich bis zum Erscheinen von celtx 1.1 weiter die Drehbuch-Variante benutzen. Ich probiere es mit dem nächsten Conny-Abenteuer erstmal aus.
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*) Die deutsche Übersetzung ist zur Zeit noch ziemlich lächerlich. Glücklicherweise ist celtx ein Open-Source-Programm, so dass ich meinen Gegenvorschlag zu "Leiste" als deutsche Übersetzung von "Panel" gleich im Wiki anbringen konnte. Ich frage mich, woher die Leiste kam? Von Holzpanelen wohl weniger, das sind ja Platten, also flach, nicht lang. Vielleicht von Steckerleisten? Zur Zeit suche ich noch nach einem guten Wort für die Caption Boxes - "Untertitel" tut's irgendwie nicht und ist außerdem zu lang für den Platz im Layout. Für mich benutze ich ja entweder "Textbox" oder einfach "Caption", aber das traue ich mich nicht vorzuschlagen - einige Leute in der deutschen Comicszene reagieren auf Anglizismen erfahrungsgemäß ungefähr so wie ich auf Bekehrungsversuche von religiösen Fundamentalisten jedweder Couleur. (Ich bekreuzige mich und rufe laut VADE RETRO, SATANAS! Das kapieren die meisten zwar nicht, aber es hält sie auf Abstand, wenn sie glauben, dass jemand noch durchgedrehter ist als sie.)