Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Mittwoch, 12. März 2008
Der Rest ist Geplätscher.
Schreiben
Heute früh hatten wir ein sehr interessantes Gewitter. Was es interessant macht, ist der Aufbau: Nach einiger Zeit normalen Regens gab es ein paar Minuten heftigen Hagels, abgeschlossen durch einen Blitz mit unmittelbar folgendem Donner. Dann ließ der Niederschlag nach, es folgte ein weiterer Blitz mit etwas späterem Donner, noch etwas Geplätscher, und das war's. Insgesamt höchstens fünf Minuten.

So müssen Geschichten sein: Auf den Punkt, keine überflüssigen oder allzulang ausgewalzten Informationen, keine unnötigen Wiederholungen (die einzige Wiederholung waren die Blitzschläge, aber die hatten unterschiedliche Wirkung). Vor allem: Wenn alles Wichtige erzählt ist, gibt es keinen Grund mehr, sich noch groß mit der Geschichte aufzuhalten. Alles weitere ist dann nur noch Geplätscher.

(Vorsicht, Spoiler:) Wer MINA im englischen Original gelesen hat, wird festgestellt haben, dass der Schluss ziemlich kurz und direkt ist. Nachdem Conny die Mumie findet, passiert nicht mehr viel. Ich hatte anfangs überlegt, den Weg aus der Schule noch mit Fallen zu spicken, damit es mehr von einem Kampf, von einer Überwindung hat, aber der Kern der Geschichte war nicht Minas Befreiung, sondern die Aufklärung von Minas Geheimnis. Die Geschichte, die erzählt werden muss, ist Minas Vorgeschichte. Nachdem die erzählt war, gab es keinen Grund mehr, mich an den anderen Fäden lange aufzuhalten. Zumal jede Verzögerung eine Woche bedeutet hätte, in der in meinem Online-Comic nichts passiert. (Spoiler Ende.)

Auch in anderen Medien fällt mir immer wieder auf, dass Autoren diesen Fehler machen. Neulich habe ich mal wieder THE RUBY IN THE SMOKE gesehen, eine sehr schöne, wenn auch manchmal etwas gemächliche Philip-Pullman-Verfilmung mit Billie Piper. Die Geschichte ist sehr komplex und enthält einige Fäden, die am Ende aufgeklärt werden mussten. Der Skriptautor (oder vielleicht schon Pullman, das weiß ich nicht) hat den Fehler gemacht, zwei sehr wichtige Fäden erst nach der Auflösung des zentralen Konflikts aufzudröseln. Das war zu spät, denn zu diesem Zeitpunkt trugen diese Auflösungen nichts mehr zur Handlung bei. So zog sich der Schluss unnötig hin.

Das Problem beim Schreiben ist oft weniger, nicht aufhören zu können oder Nebensächliches übermäßig erklären zu wollen, sondern zu entscheiden, was eigentlich der Kern der Handlung ist. Mit "Kern" meine ich den emotionalen Gehalt, also den Teil, mit dem wir mitfiebern. Als Autor finden wir alles wichtig, und alles muss geklärt werden. Als Leser unterscheiden wir zwischen "nur wichtigen" Informationen und dem zentralen Gehalt.

"Eine Filmszene sollte sein wie eine Party: Du kommst spät und gehst früh" ist ein Aphorismus, der Taxi-Driver-Autor Paul Schrader zugeschrieben wird. Zumindest den ersten Teil (spät einsteigen) habe ich auch schon von Kurt Vonnegut (über Kurzgeschichten) und Patricia Highsmith (über Thriller) gehört. Ich denke, die Maxime gilt, auch über die einzelne Szene hinaus, für jede Fiktion, die auf Spannung, auf Mitfiebern mit den Akteuren, beruht. Und jede gute Fiktion sollte auf dieser Art von Spannung beruhen.

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