Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Sonntag, 14. Oktober 2007
Muss ja nicht gleich perfekt sein
Zeichnen
Ich habe mich jetzt entschieden, das Conny-Album vorab in zwei Teilen zu veröffentlichen. Allerdings nur als Download. Mein Ziel ist weiterhin das Album. Es sei denn, ich kriege unzählige Mails von Leuten, die das als Heft haben wollen. Wenn alles so aussieht, wie ich es mir vorstelle, kann ich relativ schnell eins draus machen.

Warum dieser Halbschritt gegenüber dem Album? Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen hatte ich eh vor, die Comics auch als Download anzubieten. Aber, ich weiß ja nicht, wie es euch geht - ich jedenfalls habe bei eBooks eine ganz andere Aufmerksamkeitsspanne als bei gedruckten Comics. Ein gedrucktes Album ist schnell gelesen, aber bei Online-Comics mag ich kürzere Einheiten. Dass ich sie nicht noch kürzer mache - warum bei 2x28 Seiten aufhören? Warum nicht 4x14? - liegt daran, dass ich mir die Hintertür zum Gedruckten offenhalten möchte, und dass einige der Geschichten ziemlich lang sind.

Der Hauptgrund ist natürlich, dass ich schon mal etwas anzubieten habe, während wir alle auf das Album warten. Und ich kann schon mal anfangen, die ersten Seiten aufzubereiten. Dann habe ich das nicht alles am Ende als einen riesigen Block vor mir. Natürlich könnte ich auch so schon mit dem Aufbereiten anfangen, aber wer mich kennt, weiß: das mache ich eh nicht, solange es nicht absolut dringend geworden ist.

Vorher.

Vorher.

Unter Aufbereiten verstehe ich, die Schrift und Schriftgrößen aneinander anzupassen, den Seiten einen gemeinsamen Rahmen zu geben - und vor allem bei den früheren Comics einiges nochmal zu zeichnen. Es gibt da halt noch einiges, das ich so nicht stehenlassen kann. Im Schnitt vielleicht ein Bild pro Seite. Manche müssen ganz neu gezeichnet werden, bei anderen reicht es, Connys Nase etwas zu manipulieren.

Den Impuls, die frühen Geschichten ganz neu zu zeichnen, habe ich bereits erfolgreich abgewehrt - die alten Zeichnungen haben ihren eigenen Stil und auf jeden Fall ihre Berechtigung. Wie ich bei RECEPTION MAN immer wieder festgestellt habe, hat gerade der nicht-perfekte Stil der frühen Abenteuer nicht nur seinen Charme, sondern auch seine Anhänger. Deshalb habe ich für die Neuausgabe der RM-Nullnummer gar nichts neu gezeichnet. Conny hat aber von vornherein auf einem anderen Niveau stattgefunden. In ihrem Fall sehe ich es als Verwirklichung der ursprünglichen Idee, jetzt nochmal nachzuhelfen. Zugleich muss ich den alten Stil wahren, denn die neuen Bilder sollen nicht rauspoppen wie Darth Vaders Synchronstimme in den Neunziger-Nachschnitten von STAR WARS. Plus, wenn die alten Zeichnungen anfangen, gegenüber den neuen schäbig auszusehen, müssen die ja auch noch gemacht werden, und am Ende habe ich alles neu gezeichnet, kann mich aber nicht drauf ausruhen, denn die ersten Korrekturen werden inzwischen schäbig aussehen...

Es geht also nur um wirkliche Notfälle, wo die Anatomie nicht hinkommt und auch nicht ausdrucksvoll ist, wo ein Gesichtsausdruck ungelenk wirkt - so was halt. Das passiert bei neuen Geschichten auch. Ich zeichne drauflos und korrigiere dann später, was korrigiert werden muss. Und manchmal weiß ich gleich nach dem Drucken schon, was noch weiter bearbeitet gehört.

Warum mache ich dann überhaupt solche Zeichnungen beziehungsweise lasse sie so lange stehen? Diese Frage berührt einen wesentlichen Aspekt meiner Arbeitsweise. Nämlich den, wo es beim Comiczeichnen nicht darum geht, Bilder zu schaffen, sondern darum, Geschichten zu erzählen.

Die meisten Autoren, die sich zur Praxis des Schreibens äußern, werden Dir sagen, dass es wichtig ist, einfach drauflos zu schreiben - sobald Du anfängst zu korrigieren, bist Du draußen. Das kannst Du alles später tun. Wichtiger ist, Material zu produzieren und den Schreibfluss aufrechzuerhalten. Dasselbe gilt fürs Zeichnen. Besonders wenn das Zeichnen eigentlich eine Form des Schreibens ist.

Ich zeichne immer in der ganzen Seite. Einzelbilder zu zeichnen und sie hinterher zu montieren, liegt mir nicht. Ich brauche den Gesamtzusammenhang. Dabei entsteht immer mal ein Bild, das nicht so gelungen ist. Das ist wie bei Gruppenfotos - es ist fast unmöglich, alle Anwesenden gleichermaßen vorteilhaft abzulichten. Man selber sieht auf solchen Fotos immer scheiße aus. (Oder geht das nur mir so?)

Die "falschen" Bilder lasse ich erstmal stehen, markiere sie aber für später. Wenn ich fertig bin, sei es mit dem Comic oder mit einem Abschnitt des Comics, nehme ich mir einen neuen A3-Bogen und mache eine Extra-Seite mit Korrekturen. Angefangen mit den Unzumutbaren, falls ich nicht rechtzeitig fertig werde, bevor die Nur-nicht-sehr-guten korrigiert sind. Das Ganze montiere ich dann im Computer.

Der Vorteil an dieser Arbeitsweise ist, dass ich bereits früh eine vollständige Geschichte habe, statt mich ewig an Details aufzuhalten, während das Ende immer weiter in die Ferne rückt.

Nachher.

Nachher.

Je nachdem,wie viel Zeit ich habe, lasse ich auch mal was durchgehen. So sind die Bilder in "Der lange Heimweg", die ich für das eBook aufarbeiten muss, alle im zweiten Teil, den ich unter Zeitdruck erarbeitet habe (ich wollte unbedingt den zweiten Teil in der LOA-Ausgabe gleich nach dem ersten haben). Nicht weil ich keine Lust oder Zeit mehr hatte, sondern weil man umso mehr erkennt, je länger man die Sachen vor dem Abschicken liegen lässt. Und das ging damals nicht.

Auch wenn eine Geschichte erst ganz toll scheint - der Blick reift weiter. Ich schüttle heute Sachen aus dem Handgelenk, die ich mir vor fünf Jahren nicht mal ausdenken konnte. Und in weiteren fünf Jahren wird es genauso sein. Da ich nicht jede Geschichte fünf Jahre liegen lassen kann, muss sie einfach irgendwann raus. Korrigieren kann ich's ja später nochmal. Zum Beispiel bei einer Wiederveröffentlichung als eBook. Aber beim Zeichnen geht es vor allem erst mal darum, die Geschichte zu erzählen. Das darf man nie vergessen, sonst verzettelt man sich.

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