Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Freitag, 23. Oktober 2009
Too Old to Rock'n'Roll?
Planen
"That's the heart of the age question: It's not harder for an older writer to start. It's just easier to quit."
John August

Vor einiger Zeit sah ich einen Live-Mitschnitt der Kinks, in dem Ray Davies so alt war wie ich beim Gucken. Und sie galten damals schon als Oldie-Band, die ihren Zenit seit mindestens fünfzehn Jahren überschritten hatte. (Ungerechterweise, möchte ich hinzufügen.) Diese Art von Nostalgie, bei der man seiner kreativsten Zeit hinterhertrauert, wird mir wohl noch eine Weile erspart beiben. Meine kreativste Zeit (bisher) ist jetzt, und auch wenn das manchmal nicht so klingt, ich genieße sie in vollen Zügen.

Leicht ist es allerdings nicht. Ich habe ja schon gelegentlich im Blog erwähnt, dass ich nicht nur nicht alleine von Comicverkäufen leben kann - bei meinem jetzigen Geschäftsmodell könnte ich es auch dann nicht, wenn ich entsprechend mehr von den Comics verkaufen würde, denn dann käme ich nicht mehr zum Zeichnen. Klar, wenn's erstmal so weit ist, kann ich immer noch das Geschäftsmodell wechseln. Aber das ist nicht der Punkt.

Der Punkt ist: Einen Namen im Comicbereich zu machen, ist ein langwieriger Prozess, wenn man nicht gerade Bernd das Brot erfindet oder so. Jeder Schritt bringt neue Möglichkeiten mit sich, und langsam aber sicher entwickelt sich aus den paar Seiten Gekritzel, die ich vor einigen Jahren noch hatte, eine ansehnliche Vita. Nur halt langsam. Sehr, sehr langsam. Das kann einen an schlechten Tagen schon ein wenig unter Druck setzen. Jetzt bin ich vierzig, und in dem Alter kommen schlechte Tage nicht mehr mit jugendlicher Nörgeligkeit oder modischem Ennui, sondern mit existentialistischer Bedrohlichkeit. Das Geld! Die Rente! Die nachlassende Ausdauer! Die zunehmenden medizinischen Bedürfnisse! usw.

Mit vierzig sind andere Leute Professoren oder führen Banken oder so was. Und ich?

In den letzten Jahren habe ich deshalb oft so was gesagt wie: "Das würde alles prima laufen, wenn ich zehn Jahre jünger wäre." Dann könnte ich noch darauf hin planen, zu meinem Dreißigsten da und da zu sein. Die Jahre, die ich nicht gezeichnet habe, fehlen mir irgendwie doch. Und die Jahre, die ich danach brauchte, um wieder einigermaßen zeichnen zu können, irgendwie auch. So habe ich erst mit 30 das erste Jähling-Heft veröffentlicht, und was andere Zeichner in ihren Zwanzigern machen, mache ich halt seitdem.

Es gibt einen Grund, weshalb ich mit einundzwanzig aufgehört habe, Comics zu zeichnen. Mir fiel nichts mehr ein. Jedenfalls nichts, das gut genug war, mich lange genug bei der Stange zu halten, um bei den wachsenden graphischen Ansprüchen im PANEL-Umfeld einen vorzeigbaren Comic daraus zu machen. Erst Ende der Neunziger war ich wieder so weit, dass ich sozusagen etwas zu sagen hatte. Subjektiv hat sich das Warten gelohnt: Die Comics, die ich heute mache, sind um einiges besser als die, die ich sonst zehn Jahre früher gemacht hätte. Vielleicht sogar reifer.

Eins ist klar, zu alt für Comics gibt's nicht. Kann höchstens sein, dass irgendwann die Hand zittrig wird; bis dahin sollte ich mir dringend ein paar Assistenten herbeizüchten wie Uderzo. Oder ich binde mir den Pinsel an die Hand, wie es Bernd Pfarr gegen Ende seines Lebens gemacht haben soll.

Und dann gibt es noch die andere Überlegung, die ernüchterndste Antwort auf den leisen Zweifel, ob ich nicht vielleicht doch zu alt für so einen steinigen Weg bin:

Ich bin nicht zu alt, um in kleinen Schritten voranzugehen. Und erst recht gibt es keinen Grund, aufzuhören und etwas Neues anzufangen. Im Gegenteil: Ich bin zu alt, jetzt aufzuhören. Zu alt, um etwas unvollendet liegen zu lassen, egal was es ist. Und definitiv zu alt, um ohne triftigen Grund etwas neues aufzubauen, ganz von vorne. Ich habe schon eine Menge Dinge abgebrochen oder einfach nur nicht weiterverfolgt, ohne mich formal davon zu trennen. Diese Dinge kommen immer zurück, um zu nerven. Das beste, was ich jetzt tun kann, ist weitermachen. Dieses Comic-Ding so weit entwickeln, wie es sich entwickeln lässt. Alles andere wäre Zeitverschwendung, und Zeit ist nichts, was man in meinem Alter zu viel hat.

Wenn das nicht klappt, kann ich ja immer noch was anderes machen.

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