Gut, dass 24 Hour Comic Day nur einmal im Jahr ist. Öfter würde ich das nicht durchhalten. Aber immerhin: Die Session im Atelier von
Till Lassmann war eine runde Sache. Wir haben es fast alle geschafft, einer (Rudi) sogar nach nur 18 Stunden. Ich war der letzte, ich habe 23einhalb Stunden gebraucht - 23, wenn man bedenkt, dass ich in der ersten Stunde eigentlich gar nicht an dem Comic gearbeitet, sondern das Papier getestet habe. Mein "Klassenziel" habe ich erreicht - einen Comic in weniger als 24 Stunden fertigzustellen, nicht in 34 wie zuvor, und zwar einen, der um so viel besser ist als der alte, wie ich halt inzwischen besser geworden bin. Ich habe mir die Story noch nicht wieder angeguckt - ich habe das Lettering auf transparentem Papier gemacht, um es im Zweifel schadlos austauschen zu können, und das ist ein bisschen schwer zu lesen, selbst wenn man, wie ich, weiß, wo die ganzen Sprechblasen hingehören -, aber ich glaube, sie ist auch einigermaßen logisch. Auf jeden Fall ist sie einigermaßen komplex: Drei Handlungsstränge!
Nebenher haben wir die meiste Zeit kräftig unsere Fortschritte und Panikattacken getwittert. Wer das verpasst hat, muss in den Profilen von
Till Felix und
mir bis zum 3. Oktober zurückgehen oder das "Hashtag" #24hourcomicday aufrufen, das meiste davon ist von uns. Außerdem haben wir in
Witteks Gästeblog reichlich Bilder hochgeladen.
Hier ist eine Liste mit Direktlinks zu den einzelnen Beiträgen. Das Bild oben ist übigens auch von Wittek.Deshalb ist er auch nicht drauf. Dafür neben mir (vorne, konzentriert) von links nach rechts Till Felix (fast fetig), Till Lassmann (ohne die schwer benötigten Brötchen, die er gerade gebracht hatte) und Rudi Martens (bereits seit Stunden fertig). Und wo ich schon gerade mit Links um mich schmeiße,
hier ist Tills Nachbetrachtung des Wochenendes und
hier das Cover seines Comics. In nächster Zeit hat er vor, den Comic selber auch zu posten, haltet also die Augen offen.
Hier ist also meine eigene Rückschau.
Arbeitsorganisation
Habe ich mich an
meine eigenen Regeln vom Freitag gehalten? Naja, teilweise. Ich habe jede Abkürzung benutzt, fleißig Splashpanels eingesetzt und Hintergründe weggelassen (wenn auch weniger, als man meinen könnte). Habe Arbeitsschritte ausgelassen und direkt mit blauem Buntstift vorgezeichnet, bis das ständige Aufdrücken zu anstrengend wurde. Kein Skript geschrieben, aber das war ja eh klar. Andererseits habe ich auch keinen groben Handlungsablauf vorgelegt, die Schmerzen in den Fingern nicht direkt ignoriert, aber auch nicht gerade behandelt, und viel Action ist in diesem Comic auch nicht. Ich meine,
damals hatte ich eine Verfolgungsjagd mit dem Auto auf eine Reporterin, die sich mit dem Sprung von einer Brücke rettet, einen Bösewicht, der mit dem Hubschrauber flieht und ein verdammtes UFO! Die neue Geschichte hat eher etwas von einem Wirtschaftsthriller: Die Kernhandlung findet hinter den Kulissen statt.
Story
Lange Zeit hatte ich keinen blassen Schimmer, was ich machen wollte. Irgendwie mochte ich die Idee, wieder etwas mit Olga zu machen, um am ersten 24-Stunden-Comic anzuknüpfen, aber welche? Die Starreporterin oder die Spionin? Oder doch was ganz anderes? also zeichnete ich erstmal eine Großaufnahme von Olga, und sie sagt, was ich dachte:
"Was mache ich hier?"
Von da an habe ich mich erstmal durchgehangelt. Das kann schnell schiefgehen (beliebig werden) und funktioniert nur, wenn man eine strenge Regel befolgt: Alles, was auf den ersten Seiten passiert, muss Bedeutung für den Rest der Geschichte haben. Olga erhält eine Mail, vom Text her den typischen
Nigeria-Scam, also geht es um Nigerianer. Ein Typ setzt sich zu ihr an den Tisch, der muss natürlich eine tragende Figur werden und so weiter.
Etwa ab Seite 7, nach der Essenspause, hatte ich eine grobe Idee, wie die ganzen Ereignisse zusammenhängen könnten. Das hat es nicht leichter gemacht, denn ich hatte immer noch keine Ahnung, wie ich die Fäden zusammenkriegen sollte. Die kam irgendwann nachts. Bis zum Schluss fiel es mir schwer, von einer Seite, von einer Szene zur nächsten einen Fluß hinzukriegen, also unterbrach ich den Handlungsfluss immer wieder für eine der Nebenhandlungen.
Dass die anderen in der Runde einfach draufloszeichneten und eine saugute Seite nach der anderen raushauten, hat übrigens auch nicht geholfen.
Zeichnungen
Die Zeichnungen sollten einfach sein, aber nicht zu einfach. Bei einigen Bildern habe ich mich gezwungen, Hintergründe zu zeichnen, damit alles eine Präsenz hat. Außerdem habe ich viel mit Schatten gearbeitet. Die Verhörszene in einem dunklen Raum war in diesem Sinn ein Geschenk, schwarz geht schnell und ist sehr präsent. Das ist nicht der Grund, weshalb sie so lang ist. Es gab nur halt viel zu sagen. In einem "echten" Comic hätte ich sie aber trotzdem gekürzt.
Es gibt viele großflächige Bilder, obwohl ich normalerweise nichts vom Platzschinden halte. Im Schnitt sind es vielleicht vier Bilder pro Seite, im Einzelfall höchstens fünf. Es gibt nur zwei ganzseitige Splash Panels, dafür viele halbseitige.
Für Charakter- und anderes Design blieb natürlich keine Zeit. Das sieht man den Charakteren leider auch an. Ansonsten habe ich die Hintergründe einfach gehalten und möglichst auf Dinge verzichtet, die ich erst gestalten musste. Das bezieht sich auch auf die Namen: Das Reisebüro heißt Reisebüro, das Café Café, und die Charaktere haben bis auf Olga überhaupt keine Namen.
Produktion
Eine Schablone wie letztes Mal habe ich nicht gemacht, nur fürs Lettering. Ich wusste vorher nicht, ob ich mein eigenes Papier benutzen würde oder eins der Hefte, die Till mitgebracht hatte. So habe ich nur einen Rahmen um den Innenteil mit Lineal vorgezeichnet, damit eine Regelmäßigkeit von Seite zu Seite reinkommt. Dazu habe ich mit Filzstift die Abmessungen an die Kante der Blätter markiert, das hat den Prozess um bestimmt anderthalb Minuten pro Seite (also 36 Minuten) verkürzt.
Die Texte habe ich nicht in die Seiten selber geschrieben, zum einen weil ich meinem Lettering nicht traue und gerne noch was ändere, zum anderen weil ich ja immer eine eventuelle englische Fassung mitdenke, bei der die Sprechblasen mal größer, mal kleiner sein müssen. Normalerweise lege ich Texte und Sprechblasen im Rechner über die Bilder. Hier ging das nicht, also habe ich transparentes Papier genommen. Dadurch musste ich zwar auch die Teile zeichnen, die hinterher durch Sprechblasen verdeckt sind, aber das habe ich in Kauf genomen. Dafür wirken die Bilder hinterher vollständiger und nicht um die Sprechblase herumgezeichnet.
Der andere Nachteil: der Comic verweigert sich der augenblicklichen Befriedigung beim Angucken. Die anderen haben ihre Comics in die erwähnten Zeichenhefte gezeichnet, mit Texten und allem. Das Ergebnis sieht schon im Original wie ein richtiger Comic aus, und es machte Spaß, schon während der 24-Stunden-Comic-Nacht anzugucken. Meiner wird erst wie ein Comic wirken, wenn ich ihn zusammengesetzt habe.
Nach einigen Lesarten der 24-Stunden-Comic-Regeln muss am Ende ein druckfertiger Comic dastehen, aber diese Regel habe ich gezielt außer acht gelassen, denn das halte ich für Quatsch. Hauptsache, alle Elemente sind fertig. Ich überlege sogar, für die Webausgabe im Rechner nachzulettern. Aber erstmal sehen, wie's wirkt.
Nach dem Aufräumen haben wir uns noch eine Weile darüber unterhalten, ob wir im nächsten Jahr wieder so was machen wollen. Trotz des allgemeinen Enthusiasmus(ses?) war das Ergebnis gemischt. Einerseits macht es Spaß, und man hat danach einen schönen neuen Comic. Andererseits soll der 24-Stunden-Comic eine Herausforderung sein, und die haben wir ja jetzt bestanden. Von einer Routine war nie die Rede. (Obwohl, auch das wäre interessant. Ein monatliches Heft vielleicht?) Ich kann mir vorstellen, wieder einen 24-Stunden-Comic zu machen, aber anders. Als Steigerung der Herausforderung fällt mir auf Anhieb nur "in Farbe" ein, oder "inklusive Nachproduktion". Man kann das ganze aber auch variieren. Zum Beispiel hätte ich große Lust, mit ein paar Leuten die erwartete Seitenzahl zu bündeln (bei 4 Leuten z.B. 96 Seiten) und gemeinsam die 24-Stunden-Graphic Novel zu erfinden*. Das wäre doch ein Projekt für nächstes Jahr.
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*) Und falls mir jemand zuvorkommt: Ich beanspruche den Credit fürs Konzept.