Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Samstag, 21. Juli 2007
Ein Comic in sieben Tagen
Schreiben
Im letzten Beitrag habe ich die Anleitung zum Schreiben eines Filmskripts in sieben Tagen erwähnt. Den folgenden Text habe ich anfang Februar als spontane Reaktion darauf geschrieben. Ich habe ihn seitdem nicht mehr benutzt, also ist er höchstens indirekt ins Neue Heft eingeflossen. Ich staune aber, wie sehr die Struktur meiner neuen Geschichte dem hier skizzierten Verlauf ähnelt.

Was ich natürlich (für mich) völlig verworfen habe, ist der zeitliche Verlauf. Im Prinzip ist diese Anleitung eine Art Soft-Version des 24-Stunden-Comics. Mehr eine sportliche Herausforderung als eine künstlerische. Ich mache auch darauf aufmerksam, dass diese Anleitung ungetestet ist, und übernehme keinerlei Verantwortung für etwaige gesundheitliche Schäden, sollte jemand das ausprobieren wollen. Für Erfahrungsberichte, Erweiterungsvorschläge etc. bin ich natürlich dankbar.

______________________________

1 Comic in einer Woche.

- 24 Seiten;
- Nötige Arbeitsschritte:
  • Genre;
  • Outline und Charaktere (wie viele?);
  • Grobes Skript und Thumbnails;
  • Zeichnen;
  • Scannen, lettern;
  • Titelbild;
- Bonus:
  • Graustufen oder Farben definieren;
  • Bonus Tracks produzieren;
  • Upload bei Lulu (alt.: Druckvorbereitung).

1. Tag

- Genre;
Entweder Du hast Dich bereits für ein Genre entschieden, vielleicht weil Du innerhalb Deiner bestehenden Serien arbeiten willst, oder Du lost eins aus, indem Du mehrere Genres auf Zettel schreibst und einen ziehst. Beides hat Vor- und Nachteile: im ersten Fall fühlst Du Dich dem Titel gegenüber verpflichtet und musst so gut arbeiten wie es geht, und im zweiten musst Du Dir alles erst noch ausdenken, was länger dauert.

- Outline und Charaktere;
Guck Dir mindestens zwei, aber höchstens fünf Hefte aus dem gewählten Genre an und merke Dir die Regeln. Achte auch auf die typische Struktur.
Zum Konstruieren der Outline brauchst Du die Charaktere und den McGuffin. Als erstes den McGuffin, dann kannst Du Dir überlegen, wer welches Interesse daran hat.
Lege die Figuren des Comics fest. (Das gilt auch, wenn Du eine bestehende Serie schreibst, denn Du musst dich für wenige Figuren entscheiden.)
Bleib einfach: Protagonist mit Sidekick, Antagonist mit Sidekick, oder was immer die Basics für das Genre sind.
Für jede Figur: Verhältnis zu den anderen (jedem einzelnen anderen) und zum McGuffin am Anfang und am Ende festlegen.

Jetzt hast Du bereits die Outline. Protagonist A, mit der Hilfe von Protagonist B, will/muss an McGuffin herankommen. Antagonist A setzt Antagonist B ein, um das zu verhindern. Die Protagonisten müssen Ant. B überwinden, um an Ant. A zu gelangen. Erst dann erreichen sie McGuffin. (Die Struktur kann, je nach Genre, variieren, aber das hast Du dir ja am Anfang notiert.)

Den Rest des Tages kannst Du alle wichtigen Elemente zeichnen üben.


2. Tag

Du hast 24 Seiten zu füllen, eine Outline und ein wenig Ahnung davon, wie man eine Story über 24 Seiten strukturiert (entweder angelesen oder bei der Recherche des Genres festgestellt.)

Grob können wir sagen: Vierteln. Sechs Seiten für den ersten Akt, zwölf für den zweiten (was eigentlich in sich zwei Akte sind) und sechs für die Auflösung. Hier die McGuffin-Struktur, verteilt auf Akte:

S. 1-6
Protagonist A, mit der Hilfe von Protagonist B, will/muss an McGuffin herankommen. Antagonist A setzt Antagonist B ein, um das zu verhindern.

S. 7-18
Die Protagonisten müssen Ant. B überwinden, um an Ant. A zu gelangen.

S. 19-24
Erst dann erreichen sie McGuffin.

Ein paar Notizen zum Auskleiden:
S. 1-6
Protagonist A, mit der Hilfe von Protagonist B, will/muss an McGuffin herankommen. Antagonist A setzt Antagonist B ein, um das zu verhindern.
  • McGuffin wird vorgestellt, und warum McGuffin so wichtig ist für Protagonist A.
  • Protagonist A wird vorgestellt, und wenn möglich, Protagonist B im Verhältnis zu A.
  • Antagonist A wird vorgestellt, und sein Verhältnis zu McGuffin (und wenn möglich, zu Protagonist A).
  • Antagonist A unternimmt den ersten Schritt, um Protagonist A von McGuffin zu entfernen. Auftritt Antagonist B.
S. 7-18
Die Protagonisten müssen Ant. B überwinden, um an Ant. A zu gelangen.
  • Erste Auseinandersetzung mit Antagonist B. B gewinnt.
  • Die Protagonisten müssen sich mit Antagonist B auseinandersetzen, um Schwachstellen zu finden. Dabei wird entweder Bs Verhältnis zu McGuffin bekannt oder, so weit noch nicht bekannt, zu Antagonist A.
  • Das Verhältnis zwischen Protagonist A und Protagonist B wird auf die Probe gestellt. Entweder weil sie verschiedene Auffassungen haben, wie den Antagonisten beizukommen ist, oder weil Protagonist Bs Verhältnis zum McGuffin zum Problem wird.
  • Die Protagonisten gehen getrennte Wege. Protagonist A ist mehr auf Antagonist A fixiert, Protagonist B mehr auf McGuffin.
  • Der Weg zu beiden führt über Antagonist B. Aber beide Protagonisten haben ein unterschiedliches Verhältnis zu Antagonist B. Das kommt jetzt zum Tragen.
  • Protagonist B nimmt Antagonist B ernster als Antagonist A.
  • Antagonist B wird überwunden, auf Kosten des Verhältnisses zwischen den Protagonisten?

S. 19-24
Erst dann erreichen sie McGuffin.
  • Vielleicht wird auch erst jetzt Antagonist B überwunden? Konsultiere die Bücher.
  • Antagonist A zieht noch ein besonders hohes As aus dem Ärmel. Jetzt geht es um die Wurst.
  • Protagonist A und Protagonist B müssen lernen, wieder zusammenzuarbeiten, denn nur zusammen können sie Antagonist A besiegen.
  • Am Ende streiten sich Protagonist A und Protagonist B um den McGuffin. Blende.
Das habe ich gerade innerhalb einer halben Stunde geschrieben. Ein grobes Skript innerhalb eines halben Tages dürfte drin sein.
Umbrechen auf 24 Seiten: Das sind höchstens 20 Szenen, also wie gesagt: einfach halten. Wenn Dir gute Dialoge einfallen, ruhig aufschreiben, ansonsten reichen zur Zeit noch Platzhalter. (Wer gibt wann wem welche Information preis?)

Rest des Tages: Weitere Zeichenübungen, vielleicht schon erste Thumbnail-Sequenzen.


3. Tag

Thumbnail-Tag. Thumbnail-Tag ist auch Endgültiges-Skript-Tag, daraus machen wir einen Arbeitsgang, um Zeit zu sparen.

Dazu gehört: Grobes Skript nochmal ausgeschlafen lesen und grobe Schnitzer korrigieren. Dann die Szenen in Beats auf- und diese ver-teilen, also: die Thumbnails machen. Fertige Dialoge brauchen wir immer noch nicht, in diesem Stadium sind es allein die Bilder, die die Geschichte erzählen. Nur grob festlegen, wer wann was sagt, nicht wie. Ideen dafür in einer Text-Datei festhalten, das brauchen wir noch.

24 Thumbnailseiten an einem Tag, das bedeutet 3-4 pro Stunde. Also nicht groß aufhalten.


4.-6.Tag

Zeichnen. Acht Seiten pro Tag. Eine Seite pro Stunde.
Das ist viel, aber Du hast in den letzten Tagen genug Skizzen, Entwürfe und nicht zuletzt Thumbnails gemacht, um jetzt relativ schnell durchzukommen. Trotzdem: halte Dich nicht an Details auf. Du hast nur zehn Minuten pro Bild, wie im 24-Stunden-Comic, nur ohne den Schlafentzug.

Wenn nötig, mache Überstunden.
Ebenfalls Überstunden: Abends scannen und säubern. (Wenn Du das jetzt nicht machst, hast Du am Ende 24 Seiten zum Säubern, das kann nerven.) Entscheiden, welche Bilder nochmal gemacht werden müssen.

7. Tag

Misslungene Bilder nachliefern, wenn Du das nicht in den Überstunden gemacht hast.
Lettern. Jetzt brauchst Du Dialoge.

Das dauert. Wahrscheinlich wirst Du das Titelbild, die Bonus-Tracks und die Druckdatei erst am nächsten Tag machen können.


1. Bonus-Tag

Du hast in der letzten Woche viel Material produziert: nicht nur den Comic und die Thumbnails, sondern auch Produktionsnotizen, Skizzen und Entwürfe, Character Sheets etc. Das ist dein Bonus-Material. Also, nur zu: Scannen, layouten, dranhängen. Und dann zeichne Dein Titelbild. Ehrlich, die ganze redaktionelle Betreuung kannst Du an einem Tag erledigen.

Warum ich das nicht "8. Tag" nenne, sondern "1. Bonus-Tag"? Weil Du nach den ersten sieben Tagen eine Pause verdient hast. Nutze sie. Geh raus, Du brauchst frische Luft.

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