Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Montag, 2. November 2015
#NonNoWriMo
Arbeitsorganisation
Es ist November, und für viele Autoren bedeutet das: NaNoWriMo, ein Monat, um die Storytelling- und Zeitmanagementinstinkte zu testen und einen vergleichsweise kurzen, noch völlig unbereinigten, aber vollständigen Roman zu schreiben. In meinem direkten Umfeld stellen sich mindestens schon mal TeMeL und der Lachwitz der Herausforderung. 50.000 Worte in einem Monat, das sind im Schnitt 1667 pro Tag, also ziemlich genau so viel wie dieser Artikel, denn den Spaß erlaube ich mir.

Aber ich werde wohl wieder nicht am NaNoWriMo teilnehmen, wenn mich nicht völlig überraschend in der ersten Woche noch der Schreibtaumel packt. Vor hatte ich es zwar immer schon, weil es eine tolle Einrichtung ist. Aber jedes Jahr im November finde ich mich in derselben Position: Zu viele Dinge, die noch fertig werden müssen und die ich nicht einfach so auf Dezember aufschieben kann. Und die vor allem aus allen möglichen verschiedenen Richtungen an meiner Aufmerksamkeit zerren, was das Umstellen von Ding Zu Ding zum anstrengendsten Teil der Übung macht. Da bin ich meist zu zerwurstelt für ein durchgehendes Projekt und kann ich nicht einfach jeden Tag zwei Stunden (so lang dauert es etwa, 1667 Worte zu schreiben, wenn dieser Artikel ein Maßstab ist) noch etwas völlig anderes dazu machen.

Das Volumen

Was lässt sich eigentlich in einem Monat realisieren? Genauer, was traue ich mir zu? Denn während manche es schaffen, vier Romane im Jahr zu schreiben, kommen andere nicht über den Satz mit der dunklen und stürmischen Nacht hinaus. Zusätzlich hängt es stark von der Tages- oder Monatsform ab: Ich weiß von früheren Projekten, dass ich ganze Geschichten in kürzester Zeit und auf vollem Niveau heraushauen kann, aber danach brauche ich mindestens genau so lang Pause. Wenn es darum geht, wie viel von was ich in einem Monat schaffe, gibt es im Grunde drei Modi: Maximal, realistisch und Die Woche Danach.

- Skripte
Das grobe Skript zu Reception Man Nr. 1 habe ich in ein, zwei Wochen geschrieben. Wenn's nur ums Schreiben geht, traue ich mir in einem guten Monat durchaus ein Albumskript zu. Rein von der Wortzahl her kann man das nicht so richtig herleiten, denn das hängt stark davon ab, wie man skriptet. (Kann auch sein, dass es da Sonderregeln gibt.) Ich habe Skripte von Warren Ellis gesehen, die so zielsicher, kompakt und vor allem wortkarg waren wie viele seiner Dialoge auch. Der kriegt mit 50.000 Worten sicherlich mehrere Graphic Novels voll, während das bei Alan Moore wohl eher ein Vierseiter wäre.
Ich habe gerade mal eine Seite von Kriminelle Energie darauf geprüft, das waren knapp 200 Worte. Allerdings richtet sich das Skript an mich als Zeichner - ich muss vieles nicht beschreiben und ausführen, denn ich weiß ja, wie ich das zeichnen würde. Plus, es ist eine sehr grobe Rohfassung. Will sagen, ich muss wohl keine 250 solcher Seiten schreiben, um eine "NaNoWriMo-GraNo" vollzukriegen. Eher so 100-150. Da ich Seiten selten einzeln skripte, sind 3-5 pro Tag sicher machbar. Also, maximal.

- Comics
Unabhängig von meinen Überlegungen zum Comic-in-einer-Woche (was ich, muss ich zugeben, nie in der Form gemacht habe) brauche ich vielleicht einen Tag, um eine Seite zu skripten, zu zeichnen und zu tuschen. Nachbearbeiten und Kolorieren dauert extra. Mehr ginge auch, wie die 24-Stunden-Comics gezeigt haben, aber umso schlechter werden dann die einzelnen Seiten. Innerhalb eines WriMo könnte ich also durchaus ein Heft fertig kriegen, vielleicht sogar ein Album, aber davon müsste ich dann ziemlich viel nachzeichnen. Natürlich empfiehlt es sich eh nicht, bei so was drauflos zu zeichnen, bevor das Skript nicht zumindest ein bisschen überschlafen ist. Beim NaNoWriMo geht's um Drafts, um grobe Erstfassungen, die man dann den Rest des Jahres überarbeiten und verfeinern soll.

- Non-Fiction
Tja, das ist schwierig. Ich habe meine Diplomarbeit, glaub' ich, in zwei Wochen geschrieben, zumindest wenn man nur das Schreiben berücksichtigt. Aber zu dem Zeitpunkt hatte ich natürlich schon viel vorformuliert, und außerdem sah sie dann auch entsprechend aus. Der Aufsatz für das Fremdkontrolle-Buch hat auch zwei Wochen gebraucht, aber dann fand ich ihn doof und habe ihn nochmal genausolang umgeschrieben. Non-Fiction ist eh nicht so sehr Schreibarbeit. Es ist eher Faktenchecken, Beobachtungen machen, Schlussfolgerungen ziehen und jede Menge Zusammenfassungen von Sekundarmaterial schreiben, die dann im fertigen Text gar nicht vorkommen.

Prosa lasse ich mal weg. Ich konzentriere mich auf die Projekte, die mir eh im Kopf herumschwirren.

Die Projekte

Drei größere Projekte habe ich im Lauf des Jahres ja immer wieder angeteasert - Voller Mond, Kriminelle Energie und mein Non-Fiction-Buch über Ideen. Jedes einzelne dieser Projekte könnte mich wahrscheinlich den Monat über vollbeschäftigen, auch wenn ich sie alle schon angefangen habe. Wie ich an verschiedenen Stellen schon angekündigt habe, spiele ich außerdem mit dem Gedanken, das Konzept von Conny Van Ehlsing zu überarbeiten, was für mich zur Zeit vor Allem bedeutet, die nächste 'Saison' genauer zu planen. Auch das hat romanartige Dimensionen, so insgesamt. Und neulich kamen mir noch ein paar Ideen für ein Reception-Man-Heft, die ich seit langem in der Schwebe halte, in der richtigen Form zusammen, so dass ich es vielleicht doch bald mal aufschreiben kann. (Und zeichnen, siehe oben.)

Was ich auf jeden Fall mal machen kann, ist eine kleine Bestandsaufnahme, wo ich am Ende des Monats mit meinen Projekten sein will. Mindestens eins davon sollte ganz zu schaffen sein, die anderen zumindest ansatzweise. Das ist das Mindeste, das ich tun kann, während die Kollegen über ihren Romanen brüten: Etwas Ordnung in meine bestehenden Projekte bringen und vielleicht - vielleicht! - auch eins halbwegs abschließen.

- Voller Mond
Wie berichtet, war Voller Mond anfangs einfach nur eine bescheuerte kleine Idee, die sich aber leicht auf eine gewisse Länge ausspinnen ließ. Dann kam die Wissenschaft in den Weg, und die Sache wurde kompliziert, denn ich wollte meine Geschichte im Rahmen bestehender Weltraumprogramme ansiedeln. Nach dem ursprünglichen Konzept könnte ich das locker in einem Monat schreiben, vielleicht sogar mit Bleistiftzeichnungen, oder alternativ das erste Kapitel richtig fertig machen, um damit im nächsten Jahr nebenher noch nach einem Verlag zu suchen.
Die ersten zwei, drei Kapitel stehen grob. Ich bin jetzt an dem schwierigen Punkt, wo das Ganze eine Richtung kriegen muss, um dann auf ein ordentliches Finale hinauszulaufen, und außerdem habe ich den B-Plot bisher gerade mal angedacht. Plus, ich habe nicht mal angefangen, den ganzen wissenschaftlichen Hintergrund abzusichern. Deshalb kann ich auch noch nichts zeichnen: Die Technik sollte schon auf einem nachvollziehbaren Stand sein. Generische Comic-Raumanzüge tun's einfach nicht mehr.

- Kriminelle Energie
Das sollte von vornherein eine ausgefeiltere Geschichte sein als Voller Mond. Wo letzteres in die Breite und Länge zielt, soll dieser Comic mehr in die Tiefe und ins Detail gehen - was die Charaktere angeht, aber auch die Gestaltung des Stadtteils, in dem das alles spielt.
Die Hauptfiguren und der Plot stehen grob fest, und ich bin jetzt in der richtig harten Phase, wo ich jede Entscheidung aller Charaktere hinterfrage und versuche, sie durch etwas Besseres, Dramatischeres, Konflikttragenderes oder einfach Kompetenteres zu ersetzen. Denn all diese Figuren sollen vor allem gut in ihren Jobs sein. Das gehört zu den Grundpfeilern des Heist-Genres.
Eine erste Fassung im NaNo-Sinn stelle ich mir als vollständiges Skript dieser ersten, einfachen Handlungsabfolge vor, mit allen Figuren in einer Version, die ihre Fähigkeiten gut zeigt, aber vielleicht noch nicht alle Beziehungen voll ausspielt. Von da könnte ich bequem die Iterationen entwickeln, die das Skript erst richtig gut machen würden.

- Das Ideenbuch
An meinem Buch übers Ideenmachen habe ich jetzt eine Weile nicht gearbeitet (nein, nicht mangels Ideen). Da wäre jetzt ein guter Moment für. Im derzeitigen Zustand ist es etwa halb fertig, obwohl man das nicht wirklich sagen kann, solange nicht klar ist, wie viel am Ende drin sein soll. Ich könnte das Buch im Prinzip an jedem beliebigen Punkt abschließen und herausbringen, aber ich habe einfach nicht das Gefühl, schon alles zum Thema gsagt zu haben. Und ein paar Kapitel, von denen ich denke, dass sie auf jeden Fall rein gehören (Übungen!), fehlen noch ganz.
Einmal die ursprüngliche Struktur durchgeschrieben - das stelle ich mir als guten Ausgangspunkt zum Abschließen des Projekts vor. Von da könnte ich die verschiedenen Versionen des Buches ableiten - das oder die Gratis-Ebook(s) für dieses Blog, das ausführlichere Ebook für kommerzielle Ebookplattformen, oder vielleicht auch da mehrere - und entscheiden, was noch fehlt und ob das in ein weiteres Buch muss.

- Conny Van Ehlsing
Ich habe ein paar grobe Notizen und sollte längst mehr haben, denn immerhin denke ich hier am laufenden Projekt. Die Idee ist, ab Band 6 (Band 5 ist in diesem Sinn bereits verloren, weil fast fertig) die ganze Serie auf den Prüfstand zu stellen und zu gucken, ob sich was ändern muss und in welche Richtung. Das habe ich zuletzt nach Band 1 gemacht. Ich überlege, zu längeren Geschichten überzugehen, vielleicht mit kleineren, einfacher strukturierten Seiten - aber dann ergibt sich die Frage, wie sich das in den Webcomic übersetzt und wie ich da weiterhin wöchentliche "satisfying Chunks" liefern kann.
Inhaltlich stelle ich mir eine erneute Erweiterung des Conny-Kosmos vor - es gibt noch so viel zu erzählen von der Schnittstelle zwischen Kindern und Monstern, auch wenn einige Kritiker meinen, der Comic wäre ohne Monster besser.
Und manchmal überlege ich mir, im Gegenteil nur noch Einseiter zu machen. Oder zwei Serien parallel.
Zum Ende des Monats sollte Band 6 mindestens so weit umrissen sein, dass ich absehen kann, welche Erzählmittel und welche Struktur ich drauf anwenden kann. (Oder, als reines NaNo-Projekt, die Skripte stehen.) Aber, zugegeben, das hat im Zweifel auch einen Monat mehr Zeit.

Ich habe außerdem noch ein, zwei Kurzgeschichten, die fertig werden müssen, und ein weiteres Non-Fiction-Buch, über das ich zur Zeit noch nicht viel sagen kann.

Was davon ist realistisch? Ich denke mal, eine der Kurzgeschichten, die erste Fassung des Ideenbuchs und eine grobe Struktur für Conny dürften drin sein. Mit etwas Glück kann ich noch ein bisschen an einem der Langcomics oder dem zweiten Kurzcomic arbeiten. Zu einer Romanlänge verdichtet sich das wohl nicht gerade, aber wie gesagt, ich habe ja auch gar keine Zeit dafür.

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