Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Montag, 17. März 2014
Schreibprogramme im Vergleich: Erste Eindrücke von Scrivener
Schreiben
In letzter Zeit habe ich viel gutes über das Skript-Schreibprogramm Scrivener gehört (auch wenn ich die Kommentare online gerade nicht finde und nicht genau sagen kann, was). Zudem gab es gerade ein Sonderangebot zum halben Preis. Das war ein guter Moment, es auszuprobieren, und vielleicht schaffe ich es ja sogar, rechtzueitig für einige von euch darüber zu bloggen. (Andererseits liegt der volle Preis bei 40-45$, das ist ja auch nicht so viel.) Mich interessiert natürlich vor allem, ob es eine Alternative zu den anderen Programmen ist, die ich zum Organisieren komplexer Texte benutze.

Es gibt im Wesentlichen drei Projektarten, bei denen ein komplexes Schreibprogramm, also eins, das nicht nur eine Schreiboberfläche bietet wie Word, für mich hilfreich ist:
  • Mein Blog - dabei natürlich weniger die einzelnen Texte im Blog als das Blog als ganzes;
  • Comic-Projekte - sowohl Sammlungen aus kürzeren Comics als auch größere Einzelcomics;
  • Wissenschaftliche Arbeiten. Da schiebe ich schon im kleinsten Aufsatz endlos Zeug hin und her.
Theoretisch könnte ich all das auch in einem einfachen Schreibprogramm schreiben und habe das auch schon bei allen drei Textarten gemacht. Von Hand sowieso. Aber gerade diese Projekte erfordern das regelmäßige Hin- und Herschieben von Elementen, das Einbinden von externen Notizen und Informationen sowie einen Überblick über die Struktur, den man beim Blick auf ein Textfenster leicht mal verliert. Deshalb habe ich mir angewöhnt, komplexe Projekte stattdessen im Skriptprogramm Celtx, im Romanschreibprogramm yWriter oder im Notizkastenprogramm CueCards anzulegen.

Keins dieser Programme ist wirklich hundertprozentig für alles geignet, was ich damit machen will. Aber sie sind alle gratis (obwohl umstritten ist, ob die Testversion des neuen celtx wirklich noch als vollwertige Gratisversion durchgeht), und da kann man mal ein paar Unwegsamkeiten akzeptieren. Für Scriveners 40 Dollar erwarte ich aber schon etwas mehr. Die Frage ist also: Kann Scrivener etwas, das die anderen Programme nicht können und das mir schon lange fehlt? Oder zumindest etwas, das ich jetzt, wo ich es gesehen habe, nicht mehr missen möchte?

Was die anderen können

Celtx ist wunderbar, um neben dem eigentlichen Skript noch Notizen und Charakterbögen anzulegen. Mit einem Add-on lassen sich zudem Karteikarten für jede Seite oder Szene (je nach Template) anlegen, ein wunderbares Tool zum Planen einer Handlung. Die Script-Templates sind leider ein bisschen unflexibel, was sich vor allem bei dem umstrittenen Comic-Template zeigt. Wobei, ich mag das Template inzwischen. Die Kästchen mit den Beschreibungen eignen sich sehr gut, um das Bild-für-Bild des Comics im Auge zu behalten.

CueCards ist sehr schön, um Notizen zu bündeln und in Kategorienbäumen anzuordnen, und vor allem ist es sehr einfach aufgebaut. Der Text-Editor enspricht einem einfachen WordPad, von als das WordPad noch nicht so aufgeblasen war wie heute. Leider lassen die Exportoptionen, zumindest bei der Gratisversion, zu wünschen übrig. Einzeltexte sind kein Problem, ein ganzes Projekt ist schon schwieriger. Das sehr ähnliche Programm The Guide ist da schon besser und generiert sogar Kapitelüberschriften.

yWriter eignet sich, wie celtx, hervorragend für alle Aspekte des Schreibens, die nicht das eigentliche Schreiben sind, also das Organisieren der Szenen, den Überblick über Charaktere, das Herstellen von Verbindungen zwischen all diesen Elementen und so weiter. Gerade für Outlines (von Szenen und von Gesamtprojekten) ist es schwer zu übertreffen Der Texteditor ist aber wieder eher für Fließtexte geeignet und auch einfach nicht sehr schön.

Bei keinem der Programme (außer dem sehr einfachen CueCards) habe ich das Gefühl, es wirklich je voll ausgereizt zu haben, also wer weiß, was ich noch alles übersehen habe. Aber das gehört nicht hierher.

Die ersten Eindrücke von Scrivener

Organisation von Projekten

Scrivener verfügt über eine sehr durchdachte Projektverwaltung (einen Kategorienbaum mit Einzeldateien wie in CueCards, getrennt in einen Bereich für das eigentliche Projekt und einen für Recherchematerialien), über Karteikarten (eine pro Datei) wie Celtx und viele Extrafunktionen für Notizen und Fußnoten. Der Zugriff zu all dem ist nicht ganz intuitiv, aber gut erklärt.

Anders als Celtx und yWriter bietet Scrivener kein eigenes Menu mit speziellen Kategorien, um Charakterbögen, Produktionsnotizen und so was anzulegen (oder ich hab’s noch nicht gefunden, bin ja erst seit vorgestern dabei). Über Keywords und editierbare Templates lassen sich diese aber nach Bedarf als Dokumente einrichten. Überhaupt ist Scrivener sehr großzügig, was das Einrichten von Funktionen und Templates angeht.

Organisation von Texten

Texte lassen sich beliebig in verschiedene Dokumente unterteilen (und Dokumente zusammenfügen). Um auch über die Karteikarten auf der “Pinnwand” ein übersichtliches Projekt zu schaffen, muss man schon ein paar Gedanken in die Struktur des Dokumentbaums legen. Leider lassen sich die Karteikarten dann nur chronologisch anordnen - Celtx bietet die Möglichkeit, mehrere Chronologien nebeneinander zu zeigen, was ein wunderschönes Tool ist, um eine Handlung zu visualisieren.

Das Comic-Template von Antony Johnston geht ursprünglich von einem Dokument pro Seite aus, eignet sich aber für etwas viel besseres. Im Comic-Template von Celtx kann ich nur eine Karteikarte pro Seite anlegen, denn die Seite ist für das Comictemplate das, was beim Filmtemplate die Szene ist. (Auch die Storyboardfunktion ist so organisiert.) Wenn ich nun aber zwei Szenen auf einer Seite habe und beide gehören zu einem völlig anderen Subplot, dann reicht das nicht. In Scrivener kann ich die Seitenzahlen über eine Layoutfunktion im Skript einbauen, was mir die Freiheit gibt, die Dokumente anzulegen, wie ich will: nach Szenen, Einstellungen oder was auch immer.
Die Texte lassen sich pro Dokument oder als Gesamttext bearbeiten, im Fenster oder in einer sehr schönen, in den Funktionen aber reduzierten Vollbild-Ansicht.

Import und Export

Richtig überzeugend sind die Exportfunktionen. Wo die anderen Programme nur ein etwas ausführlicheres Speichermenu aufweisen, hat Scrivener einen voll ausgerüsteten Editor, in dem man bestimmen kann, welche Teile des Textes exportiert werden sollen, ob die Dokumentnamen als Zwischenüberschriften mit rein sollen und so weiter. Exportieren lässt sich nicht nur in PDF und RTF, sondern auch z. B. direkt in Ebooks. Auch das Drucken läuft über diesen Editor.
Natürlich bedeutet das erstmal eine ganze Menge Fehlversuche - Einfachheit hat ja auch was. Aber die Möglichkeiten...

Dateien lassen sich importieren, indem man sie in den Verzeichnisbaum zieht. In den Textteil gehen nur Textdateien, aber in den Materialteil lässt sich alles mögliche importieren. (Vorsicht! Mögliche Prokrastinationsfalle!) Die eigentlichen Dateien bleiben dabei aber an der ursprünglichen Stelle.

Leckerer Kleinkram

Im Verzeichnisbaum lassen sich “Sammlungen” mit einzelnen Dokumenten aus dem Projekt anlegen. Die lassen sich dann als ein Dokument lesen und exportieren. Ein hervorragendes Hilfsmittel, um Teile, die man gerade nicht braucht, auszuklammern, ohne sie zu verlieren.

Schön ist, dass die Templates für verschiedene Textarten sich editieren und dann als neue Templates anlegen lassen. Ich habe noch gar ncht richtig angefangen, das zu ergründen - bis jetzt habe ich nur mit den Autcomplete-Optionen des Comictemplates gespielt.

Ein besonderer Leckerbissen ist die Möglichkeit, verschiedene Dokumente oder auch verschiedene Ansichten desselben Dokuments neben- oder übereinander anzuzeigen und so gleichzeitig im Blick zu behalten. So kann man ohne großern Aufwand Elemente von der Outline in die Karteikarten oder sogar ins Skript kopieren oder verschiedene Versionen vergleichen.

Fazit

Scrivener ist ein gut organisiertes Programm zum Schreiben von komplexen Projekten. Es ist ausdrücklich kein vollwertiger Texteditor, macht aber schon viel. Es verbindet die guten Seiten von CueCards und Celtx - yWriter weniger, weil dessen Stärken eher beim Organisieren eines Projekts liegen als beim tatsächlichen Schreiben. Von yWriter fehlt die mehrdimensionale Projektorganisation, auch wenn man die wohl über Keywords simulieren kann, von Celtx fehlt mir eigentlich nur die Möglichkeit, Karteikarten nach Subplots anzuordnen statt rein chronologisch, und vielleicht das interessante Layout für die Skriptausgabe.

Ich weiß nicht, ob man’s wirklich braucht, wenn man die anderen Programme hat. Das muss jeder selber entscheiden - wir haben alle unterschiedliche Schreibprozesse und deshalb andere Anforderungen an ein Programm. Wer einfach ein komplexes Schreibprogramm will, aber nicht sicher ist, ob das nun unbedingt 40$ kosten soll, ist mit Celtx sicher gut bedient. Aber wer mit Celtx an seine Grenzen stößt wie ich mit der starren Seitenaufteilung des Comictemplates, findet hier vielleicht genau die Funktionen, die bei dem anderen Programm gefehlt haben.

Ich habe mich selber noch nicht ganz entschieden. Also “spiele” ich jetzt erstmal noch ein bisschen mit der erfreulich vollwertigen 30-Tage-Testversion und hoffe, dass das Sonderangebot noch eine Weile erhalten bleibt.

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