Der m(ech)anische Comiczeichner

Max Vähling zeichnet Comics und redet darüber.


Freitag, 1. August 2008
Sinn für Realitäten
Herausbringen
Ein paar Gedanken zwischendurch:

Die Gegenwart meint es gut mit uns Kleinverlegern. Durch das Internet sind Produktionsweisen entstanden, die es leicht machen, einen Comic, ein T-Shirt oder was auch immer zu produzieren, ohne Riesenauflagen vorzufinanzieren, Lagerhallen anzumieten oder sich dem Großhandel anzudienen. Für mich heißt das, dass die Kopierheftzeiten fast vorbei sind. Obwohl ich überlege, zumindest GATE CRASH weiter als Kopierheft zu führen, um es spontaner produzieren zu können. Aber der Digitaldruck wie beim Conny-Album und Print on Demand wie bei Reception Man und Olga - das sind gute Alternativen. Sieht viel besser aus als kopiert, auch wenn man Pech haben kann, und ist nicht viel teurer.

Natürlich muss sich noch viel tun. Dass ich mir meinen POD-Service in den USA suchen musste, spricht Bände. Die deutschen Betreiber, die ich kenne, lohnen sich eben doch erst ab einer größeren Auflage, oder ab dickeren Büchern, oder sie bieten einfach das Comic-Format nicht an. Internationale Anbieter haben natürlich den Nachteil, dass das Porto die Preisvorteile auffrisst, und dass man nicht mal eben beim Drucker vorbeischauen kann, wenn was nicht stimmt. (Eine Möglichkeit, die ich spätestens bei der Produktion des Conny-Albums unendlich schätzen gelernt habe.) Ich denke, einiges davon wird sich noch geben im Lauf der Zeit, wenn nicht alles. Problematischer wird es, für verstreute POD-Produkte die richtige Aufmerksamkeit zu schaffen. Je mehr sich die Produktionsweise drchsetzt, desto schwieriger wird es wahrscheinlich sein, sich abzuheben. POD ist eben doch mehr zum Kleckern gedacht als zum Klotzen.

Ich habe es kurz ausgerechnet. Bei meiner bisherigen Produktionsweise verdiene ich vielleicht einen Euro pro Heft und zwischen drei und sechs pro Album. Sagen wir mal, im Schnitt zwei, weil ich ja auch weniger Alben produziere als Hefte. (Äh, das ist jedenfalls die Idee, wenn erstmal Das Neue Heft so weit ist.) Um davon (allein) zu leben, müsste ich also im Monat, sagen wir, 500 Comics verkaufen. Eigentlich brauche ich weniger, aber ich will mir auch mal wieder was gönnen. Und zu Messen zu fahren kostet ja auch was. Da ich nicht jeden Monat ein Heft herausbringe, (vom Neuen Heft sollen vielleicht drei im Jahr erscheinen) müsste ich also eine Auflage von 2000 (500 Stück mal vier Monate) haben. Okay, bei solchen Mengen lohnt sich ein richtiger Drucker, aber siehe oben, Lagerproblem und so, und ich brauche ja auch nicht alle 2000 auf einmal. Sagen wir 1500 und den Rest machen dann die Alben aus, idealerweise. Das bringt mehrere Probleme mit sich. Erstmal gibt es in Deutschland kaum so viele Comicfans, noch dazu solche, die sich mein kleines Nischenangebot gefallen lassen. Aber international wird teurer, schon wegen des Portos. Und selbst wenn ich das alles umschifft kriege: Sagen wir also, ich verkaufe tatsächlich 500 Comics im Monat. Für jeden brauche ich 10 Minuten zum Eintüten. Das sind 5000 Minuten, plus noch zehn Minuten am Tag, um sie zur Post zu bringen, macht nochmal 250 Minuten im Monat, denn am Wochenende gehe ich nicht zur Post. Das sind 88 Stunden im Monat, die ich alleine mit dem Vertrieb verbringe, wenn ich den alleine aufziehen will. Das sind einigermaßen ungewerkschaftliche zwei Wochen, in denen ich nicht an meinen Comics arbeiten kann. Bei solchen Auflagen könnte ich natürlich mit einiger Berechtigung den Comichandel beliefern, (müsste sogar?) aber dann muss ich mich mit Rechnungen und so was rumschlagen. Sagen wir, ich tu das, und sagen wir, ich werde irgendwann richtig gut im Eintüten und brauche nur noch fünf Minuten. Eine Woche? Vier Tage?

Ist das ein gutes Geschäftsmodell? Nein, es ist ein schreckliches Geschäftsmodell. Wenn ich Bankier wäre, würde ich jemanden, der mit so einem Geschäftsmodell um einen Kredit bittet, achtkantig rausschmeißen. Und dann die Polizei rufen, schon zu seinem eigenen Schutz. Andererseits ist es auch das Geschäftsmodell, für das man keinen Kredit braucht. Solange ich mir keine Illusionen mache, dass es mich weiter bringt als bis zu einem gewissen Punkt, kann ich damit also erstmal weitermachen.

Wenn man sich etwas nicht leisten kann als Comiczeichner, dann ist es ein Sinn für Realitäten.

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Erstmal muss du wissen, wie der Umfang des Comic werden soll. So ein kleines Heftchen kann man heute leicht und billig produzieren (es kommt drauf an was man unter billig versteht - 1000 Hefte in A5 Farbe in sehr guter Qualität 36 Seiten kostet ca. 550 Euro / 250 Stück kosten dich 350 Euro).
Bei Books On Demand kann man jetzt die Bücher digital für 40 Euro realisieren. Und man spart sich die Lagerkosten, Lieferprobleme (da die alles übernehmen) und das Comic bekommt man dann auch über Amazon.

Ich will ja auch von Onlinecomics und von eigenen Heftchen leben. Habe da einige Pläne, die ich realsieren möchte und ich denke, man kann diese Ideen nachahmen.

Bin gespannt, wie du es jetzt realisieren willst.

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Danke für die Hinweise, millus. Zugegeben, die Rechnung ist nicht das, womit ich, um beim Bild zu bleiben, bei einem Kreditgeber aufgelaufen wäre.

BOD scheint sich verbessert zu haben, seit ich vor ein paar Jahren da geguckt habe. Damals hätte sich das erst ab 100 Seiten gelohnt und hätte trotzdem noch 300 EUR (oder waren's noch DM?) an Einrichtungskosten verursacht.

Ein bisschen engpassig werden die deutschen Angebote, wenn man das US-Comicbookformat haben möchte (da bin ich eigen, obwohl ich auch schon viel in A5 gemacht habe). Bei vielen Druckern gibt es nur heruntergeschnittenes A4 zu A4-Preisen. Was sich beim Drucker des Conny-Albums immer noch gerechnet hat.

Die große Hoffnung beim POD sind natürlich, wenn ich's auf die Rechnung oben beziehe, die Exemplare, die man nicht selber verkaufen muss. Deshalb versuche ich, meine Sachen nach und nach in möglichst vielen verschiedenen POD-Shops unterzubringen, wo sie dann in aller Stille Kapital machen können.

Und die Downloads natürlich.

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